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II.1. Die Entwicklung Wiens als Wirtschaftsplatz 21
Tuchwaren aller Art, die freie Aufnahme von neuen Gewerbekollegen und die eigenstän-
dige Zuteilung von Verkaufsplätzen gestattet wird66. Obwohl hier die Grenze zum hand-
werksmäßigen Kleinhandel sicher fließend war, galten diese Gewerbetreibenden nicht als
Handwerker im mittelalterlichen Verständnis, sondern als mit dem Tuchfernhandel in
Verbindung stehende Kaufleute, die – ebenso wie die Flandrenser – ein consortium bilde-
ten und sich vom städtischen Handwerk abhoben67.
Wann genau sich die Meister eines jeweils gleichen Handwerks in Wien erstmals zu
Zechen vereint haben, kann leider aufgrund mangelnder Quellengrundlage nicht gesagt
werden. Von Einungen unter Handwerkern erfährt man vor allem durch Verbote des Lan-
desfürsten. In diesem Zusammenhang hebt Heinz Zatschek68 wohl zutreffend hervor, dass
„Einung“ nicht mit „Zeche“ gleichgesetzt werden kann: Eine Einung (unanimitas, unio)
stellt keine Organisationsform des Wiener Handwerks dar, sondern bezieht sich auf die
Durchsetzung eines Monopols für bestimmte Waren und Handwerksprodukte, stellt also
eine Möglichkeit dar, beispielsweise durch Preisabsprachen über Ein- und Verkaufspreis
unter Ausschaltung verschiedener Konkurrenten frei zu verfügen. Eine Zunft bzw. Ze-
che – wie bereits weiter oben dargestellt69 – verfügt über deutlich mehr Grundlagen und
Verpflichtungen für ihre Mitglieder. Im Gegensatz zu den Zechen lassen sich Einungen
bereits im 13. Jahrhundert nachweisen: Als im Jahr 1276 drei Brände Wien verwüsteten,
befreite Ottokar II. Přemysl als österreichischer Landesfürst die Stadt für fünf Jahre von
allen Steuern und Mauten, hob dafür aber gleichzeitig alle Einungen (unanimitates) unter
den Handwerkern auf, ausgenommen die Münzer-Hausgenossenschaft, wie die Continua-
tio Vindobonensis berichtet70. Zwei Jahre später wiederholte König Rudolf I. dieses Verbot,
diesmal jedoch auf unbestimmte Zeit71. Der erste manifeste Beleg einer zeche ist im Stadt-
rechtsprivileg von Herzog Albrecht II. von 134072 zu finden, in dem zum einen abermals
die Einungen73 verboten, zum anderen aber auch Ordnungen für diverse Handwerke er-
lassen werden. Bei den Fleischhauern wird nun als Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme
eines neu in der Stadt ankommenden Meisters die Zahlung eines Pfundes Pfennig in
die Zeche der Fleischhauer gefordert. Sollte die Zeche allerdings dem neu zugezogenen
66 Die Urkunde ist nicht mehr im Original erhalten, sondern nur mehr als von Latein ins Deutsche
übersetztes Insert in einer Privilegienbestätigung für die Laubenherren durch die Herzöge Albrecht III. und
Leopold III. vom 15. Mai 1368; vgl. dazu Opll, Eisenbuch 36; Regesta Habsburgica V/1, ed. Lackner–Fel-
ler–Seitschek Nr. 321.
67 Zu dieser Unterscheidung siehe auch Isenmann, Stadt 697.
68 Zatschek, Handwerk 18f.; ders., Einung 422–425.
69 Siehe S. 14–16.
70 Continuatio Vindobonensis, ed. Pertz 707: Ab omni namque exactionis gravamine et mutarum per
lustrum liberam penitus relaxavit; unanimitates vero omnium artificialium, preter monete consortium, omnino de-
posuit, ut emendi et vendendi tam in cibariis quam in mercimoniis omnis homo per predictorum quinque annorum
spacium liberam habeat facultatem. Vgl. dazu Uhlirz, Gewerbe 605; Piepes, Geschichte 8; Lentze, Struktur
32; Zatschek, Einung 415; Csendes, Ottokar II. Přemysl 150f.; Perger, Rolle 9.
71 Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek 49 Nr. XV; FRA III/9 73 Nr. 11: Item omnium mecha-
nicorum, carnificum, panificum, piscatorum, gallinatorum et aliorum, quocumque nomine nuncupentur, uniones
singulas strictius prohibemus. Si vero contrarium fecerint, per judicem et consules civitatis graviter puniantur. Vgl.
dazu Uhlirz, Gewerbe 605; Piepes, Geschichte 8; Zatschek, Handwerk 15; ders., Einung 415.
72 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 221 (= Privileg Nr. 5); vgl. Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek Nr.
XXXVII; FRA III/9 Nr. 20; Regest in QGW II/1 Nr. 221. Auch überliefert im EB fol. 10r–18r; Regest bei
Opll, Eisenbuch 22.
73 FRA III/9 Nr. 20 Art. 64: Allerhande hantwercher, ez sein vleischakcher, pekchen, vischer, huenrer und
der andern, wi di gnant sein, der aller aynung verbiet wir vestichleichen.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen