Seite - 28 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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28 II. Das Wiener Handwerk vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1527
im Wiener Handwerksordnungsbuch enthaltenen Satzungen nicht mehr auftauchen. Ein
Grund dafür könnte im Unterschied zwischen den Ausstellern der Ordnungen liegen:
Die Goldschmiede erließen ihre Zechsatzung autonom, während die im Handwerksord-
nungsbuch eingetragenen Ordnungen allesamt von Seite der städtischen Autorität geneh-
migt worden sind. Offenbar sahen es die Ordnungen des Stadtrates lange Zeit nicht vor,
das religiöse Leben innerhalb der Zechen zu regeln; es muss aber offen bleiben, ob der Rat
diese Punkte nicht normieren musste, weil es keine Notwendigkeit dafür gab, oder aus
irgendwelchen Gründen nicht normieren wollte123.
Eine zeitlich naheliegende – und ebenso nicht in das HWOB eingetragene – Ur-
kunde, diesmal vom Bürgermeister und Rat der Stadt Wien erlassen, unterstreicht noch-
mals die These der vollkommenen Negierung der spirituellen Dimension der Handwerks-
zechen. Es handelt sich dabei um eine Ordnung der Schneider von 1369, die in einer
Abschrift aus dem 16. Jahrhundert erhalten ist. Der Beitritt zur bzw. die Einzahlung in
die Zeche oder Bruderschaft, im Wiener Handwerksordnungsbuch als Voraussetzung
zur Ausübung des Handwerks erstmals 1368 bei den Taschnern und Fütterern124, ebenso
1379 bei den Webern125 und dann erst wieder im Jahre 1409 in der Ordnung der Färber
im betreffenden Artikel auftretend126, wird auch in dieser Urkunde mit der Zahlung eines
Betrags von einem Pfund Wiener Pfennig an die Bruderschaft festgehalten127. Leider ist
die Schneiderordnung von 1369 die einzige außerhalb des HWOB überlieferte Satzung
zwischen 1364 und 1409, in der die Zahlung in die Handwerkszeche als Voraussetzung
dafür angesprochen wird, in Wien im jeweiligen Gewerbe als Meister arbeiten zu dürfen.
In der oben besprochenen Ordnung der Goldschmiedezeche findet sich diese Bestim-
mung jedenfalls nicht. Die Schneiderordnung von 1369 weist jedoch auch noch einen
weiteren Unterschied zu der Goldschmiedesatzung auf: Es fehlt jeglicher Hinweis auf die
Regelung des spirituellen Lebens der Mitglieder, es werden weder gemeinsame Messen
noch gemeinschaftlich organisierte Begräbnisse erwähnt. Sehr wohl aber enthält die Ord-
nung genaue Regelungen der arbeitsfreien Tage128 und der monatlichen Zusammenkünfte
der Handwerksmeister129.
Es ist also auffallend, dass bereits kurze Zeit nach den Maßnahmen Herzog Rudolfs
IV. anscheinend wieder ein reges Zechleben in Wien geherrscht hat. Dem Rat stand hier-
bei jedoch die wichtige Funktion zu, die Ordnungen für diese Organisationen zu erlassen;
es ist wahrscheinlich, dass ihn nur wirklich bedeutsame Handwerke (wie das der Gold-
schmiede) bei der Festsetzung ihrer Ordnung umgehen konnten. Wie die Goldschmie-
123 Vgl. zu dieser Frage auch unten S. 134.
124 Siehe oben S. 26f.
125 Siehe Nr. 57 Art. 6; Uhlirz, Gewerbe 669–671; Zatschek, Handwerk 26.
126 Siehe Nr. 227 Art. 1; Zatschek, Handwerksordnungen 17f.
127 WStLA, H. A.-Urk.-Abschr. Nr. IX fol. 1v: Das furbass khain schneider das schneiderwerch arbaitn
noch wurchen solle ... er sey danne burger und gewunne das recht, also das er geb der stat ain phund, in die brueder-
schafft der schneider ain phund und dem richter ain halb phundt, alles Wienner pfening.
128 WStLA, H. A.-Urk.-Abschr. Nr. IX fol. 2v: Auch sollen die obgenantten maister die schneider unndter
in ir feyr behaltn, als sy unndter in aufgesatzt ist: den Weinachtabent unnd den tag, den Osterabent unnd den tag,
den Phingstabent unnd den tag, unnd die vier unnser Frawenabent unnd teg, Allerzwelfpotenabent und tag, den
Sunbentabent unnd tag, alle sambstag nacht und alle suntag feyr.
129 WStLA, H. A.-Urk.-Abschr. Nr. IX fol. 2v: Es sollen auch all maister, wen man inen zusamen gepeutet,
in dem monat ainsten zůsamenkhomen unnd der zeche unnd des hanndwerchs not ausrichtn. Der Artikel bezieht
sich in der Folge vor allem auf die Rechnungslegung der Handwerksmeister. Siehe dazu auch Zatschek, Hand-
werksordnungen 16.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen