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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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II.3. Das Wiener Handwerk vom späten 14. Jahrhundert bis 1527 31 einen Schlüssel zu der Truhe, in der die Urkunde aufbewahrt wurde, besaßen: Die Haus- genossen, die Kürschner, die Schneider und die Krämer hatten jeweils zwei Schlüssel, die Fütterer, die Bogner, die Fischer und die Schuster je einen Schlüssel inne142. Somit hatten alle wichtigen Zweige des Wiener Handwerks – vom Bekleidungs- bis hin zum Lebens- mittelgewerbe – gemeinsam Zugang zu dem Privileg. In den Jahren direkt nach dem Erlass des Ratswahlprivilegs kam es zu einer bemer- kenswerten Zunahme des Anteils der Handwerker im Rat143. In den überlieferten Listen der Jahre 1396/97, 1400/01, 1401/02 und 1402/03 stellen die Handwerker sogar die absolute Mehrheit an Ratsmitgliedern, von 1403 bis 1412 waren sie ungefähr jeweils zu einem Drittel im Rat vertreten und erfüllten so die im Privileg vorgesehene Parität zwi- schen den drei genannten Gruppen. Die Handwerker hatten sich also spätestens am Be- ginn des 15. Jahrhunderts als politische Kraft in Wien etabliert. Die Zahl des Anteils der Handwerker an der Gesamtbevölkerung der Stadt muss auch um 1400 bemerkenswert gewesen sein: Durch die sogenannte Aufgebotsordnung von 1405, die in einem der Testa- mentenbücher überliefert ist144, können für dieses Jahr nicht weniger als 103 verschiedene Branchen des Wiener Handwerks festgestellt werden. Jedoch waren es wohl vor allem die reicheren Vertreter dieser Gesellschaftsschicht, denen eine politische Rolle zufiel. Die ersten Konflikte zwischen der durch die reichen Handwerker ergänzten Ober- schicht und der breiten Masse der Gemein, die zu einem großen Teil aus den weniger vermögenden Handwerkern gebildet wurde145, eskalierten im Jahr 1408. Zu diesem Zeit- punkt waren sowohl Albrecht IV. (1404) als auch Wilhelm (1406) bereits verstorben, die Brüder des Letzteren kämpften um die Vorherrschaft in Österreich. Leopold übernahm die Vormundschaft über den noch minderjährigen Albrecht V. und setzte auf eine die ärmeren Schichten der Bevölkerung begünstigende Politik, während die Oberschicht auf Seiten seines Bruders Ernst stand. Der Wiener Rat unterstützte Ernst, Leopold erfuhr von der Wiener Gemein seinen Rückhalt. Am 5. Jänner 1408 ließ Ernst sogar fünf Hand- werker aus der Gemein hinrichten, die wahrscheinlich einen Anschlag auf ihn geplant hatten146. Am 14. Jänner kam es jedoch bereits zu einem Friedensschluss zwischen den beiden Brüdern: Ernst kehrte in die Steiermark zurück, während Leopold in Wien ein- 142 Der Vermerk ist in eines der sogenannten „Testamentenbücher“ eingetragen (T₁ fol. 118v), ediert in FRA III/10/2 Nr. 692. Siehe dazu Perger, Beiträge 33; ders., Rolle 13; Csendes–Opll, Geschichte Wiens 144. 143 Perger, Beiträge 33; ders., Rolle 14. 144 T₂ fol. 11r; Perger, Beiträge 35f.; FRA III/10/2 Nr. 1225. Neben der Bezahlung von Steuern und anderen Abgaben gehörte es auch zur Pflicht der Wiener Bürger, die Stadt militärisch zu verteidigen. Das Aufge- bot legte die Versammlungsorte der Bürger je nach Stadtviertel fest und regelte auch die Besetzung bestimmter Abschnitte der Stadtmauer. Die angesprochene Ordnung von 1405 ist in sieben Bezirke unterteilt, die nach den Stadttoren gegliedert werden: Stubentor, Kärntnertor, Widmertor, Schottentor, Werdertor, Rotenturmtor und Salzturmtor. Zu den Stadtvierteln siehe auch unten S. 170. 145 Perger, Beiträge 28–30, 33. Insgesamt kommt man durch vorsichtige Schätzungen der Gesamtbe- völkerung Wiens in der ersten Hälfte des 15. Jhs. auf gut 20.000 Einwohner. Siehe dazu Brunner, Finanzen 11f., an dessen Angabe sich auch jüngere Forschungen halten, vgl. beispielsweise Perger, Beiträge 14f., der allerdings bei ein paar Einzelheiten im Vergleich zu Brunner Änderungen vornimmt. Er geht von ca. 2.000 Bürgern aus und kommt insgesamt auf 18 bis 19 Branchenangehörige pro Gewerbe, für die Dienstnehmer der Bürger (Gesellen, Lehrlinge, Mägde) schlägt er eine Zahl von 3.000 vor. Perger sieht diese Rechnung durch die Aufgebotsordnung von 1454 (FRA II/7 11) bestätigt, die zwar nur 65 Gewerbebranchen anführt, aber bei der in Summe ähnliche Zahlen geschätzt werden können. Der Vorschlag einer Einwohnerzahl Wiens von 25.000 von Schalk, Handwerker 341f., scheint etwas zu optimistisch. 146 Vancsa, Politische Geschichte 519; Perger, Rolle 16f.; Csendes–Opll, Geschichte Wiens 146.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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