Seite - 32 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Bild der Seite - 32 -
Text der Seite - 32 -
32 II. Das Wiener Handwerk vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1527
rückte und die Stadt mit einer Steuer belegte. Nachdem sich Leopold nach Wiener Neu-
stadt zurückgezogen und mit Vertretern der Stadt auf einem Landtag in St. Pölten über
die Vorfälle im Jänner verhandelt hatte, wurden Bürgermeister Konrad Vorlauf und sieben
Ratsherren auf dem Weg von dieser Verhandlung zurück nach Wien durch den Ritter
Hans Laun von Grünau überfallen und gefangengenommen. Das fällige Lösegeld durf-
ten die Wiener von der durch Leopold auferlegten Steuer abziehen. Die finanzielle Lage
der Stadt war aber so schlecht, dass der Rat eine Sondersteuer auf Wein erließ, wogegen
die Gemein Beschwerde bei Herzog Leopold einlegte. Dieser ließ Bürgermeister Konrad
Vorlauf und mehrere Ratsherren verhaften und am 11. Juli 1408 hinrichten147. Schon
am selben Tag wählte die Gemein mit Hans Feldsberger einen neuen Bürgermeister, der
wahrscheinlich von den Vertretern der Handwerker vorgeschlagen wurde148.
Nachdem ihm die Hinrichtung des amtierenden Bürgermeisters zu Ohren gekommen
war, erkundigte sich Herzog Ernst, der sich damals in Graz aufhielt, in mehreren Briefen
an den Rat, die Erbbürger, Hausgenossen, Laubenherren und 45 Handwerkszechen über
die Beweggründe für den Gewaltakt149; eine Antwort ist nicht überliefert. Die Lösung des
Konflikts zwischen Ernst und Leopold wurde schließlich 1409 durch den ungarischen
König Sigismund herbeigeführt: Die beiden Brüder fungierten seitdem gemeinsam als
Vormünder Albrechts V. 1411 wurde Albrecht wegen der Pestepidemie in Wien auf die
Burg Starhemberg gebracht, von dort aber auf Veranlassung der Landstände nach Eggen-
burg entführt, wo er für regierungsfähig erklärt wurde. Leopold IV. starb kurz darauf und
Ernst verzichtete nach Intervention Sigismunds auf seine Ansprüche150. Generell lässt sich
der Interpretation Richard Pergers zustimmen, dass die grundlegende Ursache für die
Konflikte der Jahre 1408/09 vor allem im Gegensatz zwischen der reichen Oberschicht
und den ärmeren Vertretern der Gemein, die sich vor allem aus Handwerkern zusam-
mensetzte, zu suchen ist. Leopold und Ernst versuchten, diese sozial und politisch unter-
schiedlichen Gruppen gegeneinander auszuspielen151.
147 Im Jahr 1430 wurde den hingerichteten Bürgern zum Gedenken eine Grabplatte im Wiener Ste-
phansdom mit einer lateinischen Inschrift errichtet, die nach 1945 als verloren galt. Erst vor wenigen Jahren
konnten Überreste der Platte, auf denen immerhin 60 % der Inschrift erhalten sind, wiedergefunden werden.
Vgl. dazu unter anderem Perger, Rolle 36; Kohn, Konrad Vorlauf passim; Zajic, Strategies 412f.
148 Vgl. dazu Perger, Rolle 18f. Anm. 104. Laut dem Chronisten Thomas Ebendorfer (Ebendorfer,
Chronica Austriae, ed. Lhotsky 342) hieß der hier gewählte Bürgermeister Hermann Buchfeller (Hermannus
pergamenista). Perger interpretiert diesen Widerspruch zu Nennungen des Bürgermeisters Hans Feldsberger in
einer Urkunde vom selben Tag (QGW II/1 Nr. 1739) mit einem Irrtum Ebendorfers, der statt des richtigen
Vornamens Hans den falschen Namen Hermann verwendet. Vancsa, Politische Geschichte 522f., legt die-
sen Widerspruch fälschlich so aus, dass Leopold nach der Wahl Hermann Buchfellers seinen Kandidaten aus
der Erbbürgerschicht, eben Feldsberger, durchsetzte, um sich mit der politischen Oberschicht der Stadt nicht
komplett zu verwerfen. Perger kann jedoch schlüssig nachweisen, dass ein Hans Buchfeller aus Feldsberg ur-
kundlich im ausgehenden 14. Jh. belegt ist; wahrscheinlich war also Buchfeller seine Berufsbezeichnung, Hans
sein Vorname und die Nennung von Feldsberg ein Bezug auf seinen Heimatort. Auf einer Linie mit Vancsa
argumentiert auch Uhlirz, Gewerbe 612.
149 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 1740 und 1741; QGW II/1 Nr. 1740, 1741; Zatschek, Handwerk 28.
150 Vancsa, Politische Geschichte 523–525; Perger, Rolle 19; Csendes–Opll, Geschichte Wiens 149.
151 Perger, Rolle 22. Siehe auch Zatschek, Handwerk 28, der treffend feststellt, dass bis zur Mitte
des 15. Jhs. vor allem Vertreter der reicheren Luxus- und Lebensmittelgewerbe, also Goldschmiede, Kürschner
und Fleischhauer, im Wiener Rat saßen. Perger, Ratsbürger 265f., ermittelt für die Jahre zwischen 1396 und
1526 24 Kürschner, 19 Fleischhauer, elf Krämer und zehn Goldschmiede als Ratsherren, danach sind noch
die Schneider mit acht Mitgliedern relativ zahlreich vertreten. Die anderen Gewerbe kommen im Grunde auf
je ein einziges nachweisbares Ratsmitglied in diesem Zeitraum, manche auch auf zwei oder drei, nur einmal
(Münzer) auf vier. Ebenso sieht Brunner, Finanzen 16f., die Ursache des Konflikts im oben geschilderten
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen