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42 III. Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Gerade die vielfältige Erscheinungsform sowohl in inhaltlicher als auch in formaler
Hinsicht hat in der Vergangenheit immer wieder zu Versuchen geführt, Stadtbücher nach
ihren Funktionen zu untergliedern und zu schematisieren198. Von Seite der Archivwis-
senschaft werden Stadtbücher zur großen Gruppe der „Amtsbücher“ gerechnet. Ent-
scheidende Merkmale sind – ähnlich wie in der Definition Beyerles – die buchförmige
Aufzeichnung sowie die Entstehung im Verwaltungskontext. Für die Provenienz dieses
buchförmigen Verwaltungsschriftguts kommen entweder Kirche, Landesherr oder – im
Falle der Stadtbücher – die Stadt, also Rat und städtische Verwaltung, in Frage. Die Un-
tergliederung der „Amtsbücher“ ist für jede Provenienzgruppe gleich: 1. Rechtsfixierung
und -kodifizierung, 2. innere Verwaltungsführung, 3. Wirtschafts- und Finanzverwal-
tung, 4. Rechtsprechung und freiwillige Gerichtsbarkeit199. Rechnungen lassen sich oft-
mals nicht so eindeutig in den Bereich der städtischen Buchführung einordnen, da diese
zum einen in Form von Einzelheften und nicht in der für die Definition eines Stadtbuchs
so zentralen Buchform angelegt waren und zum anderen mitunter auch außerhalb der
Kanzlei als Privataufzeichnungen der jeweiligen Amtsträger entstanden200.
Der Beginn des städtischen Schriftwesens in Mittel- und Westeuropa kann durch die
seit Mitte des 12. Jahrhunderts auftretende und vereinzelt überlieferte Ausstellung städ-
tischer Urkunden beobachtet werden, ist jedoch für diese Anfangszeit etwas verschwom-
men. In den größeren Städten treten Stadtbücher jedenfalls seit dem ersten Drittel des
13. Jahrhunderts auf201. Eine sehr frühe Differenzierung des Schriftwesens ist beispiels-
weise in Köln zu beobachten, wo seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert neben der Nie-
derschrift von Rechtsgeschäften in Einzelurkunden auch buchförmige Aufzeichnungen
zur Dokumentation der Spruchtätigkeit der Schöffen geführt worden sind. Außerdem
wurden in den einzelnen Stadtvierteln die im Zuge von Immobiliengeschäften getätig-
ten Zeugnisversprechen der Bürgergenossenschaft für einzelne Bürger auf sogenannten
Schreinskarten festgehalten, die im frühen 13. Jahrhundert durch Pergamentlagen er-
setzt und in weiterer Folge zusammengebunden wurden202. Die frühesten Zeugnisse der
Schriftlichkeit des Kölner Rats, der erst ab 1268 die Schöffen aus der führenden Stellung
im Stadtregiment verdrängen konnte, datieren aus der der Zeit um 1300203. Die Anlage
des Eidbuchs im Jahr 1321, in dem Texte von Verfassungsrang eingetragen wurden, auf
die neu eintretende Ratsherren einen Eid leisten mussten, kennzeichnet schließlich einen
Meilenstein in der konzeptionellen Anlage der Kölner Stadtbücher, da erstmals länger
gültige, für die Ratsverfassung unerlässliche Rechtstexte von Alltagsgeschäften getrennt
niedergeschrieben wurden204. Um und nach 1335 ist eine zunehmende Differenzierung
198 So schlägt z. B. Geuenich, Stadtbücher 26, eine Zwei- bzw. Dreiteilung vor: 1. Bücher des Rats,
2. Bücher des Gerichts, 3. Bücher der Finanzverwaltung (die von den allgemeinen Ratsbüchern abgrenzbar
sind). Beyerle, Stadtbücher 192–198, spricht sich für ein Fünferschema aus: 1. Ämterwesen und Bürgerge-
meinde, 2. Stadtverwaltung, 3. Rechtsprechung vor Gericht und Rat, 4. Freiwillige Gerichtsbarkeit, 5. Städti-
sches Finanzwesen. Vgl. dazu auch Korneuburger Stadtbuch, ed. Holzner-Tobisch 18.
199 Hartmann–Kloosterhuis, Amtsbücher 43f.; Hochedlinger, Aktenkunde 33f.
200 Gruber, Verwaltungspraxis 199f.; Korneuburger Stadtbuch, ed. Holzner-Tobisch 19.
201 Isenmann, Stadt 434.
202 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 35–38, 59f.; Groten, Schriftwesen 549f.; Militzer, Schreinsbü-
cher passim.
203 Groten, Schriftwesen 552. Es wurde bereits in dieser Zeit ein Stadtbuch angelegt, das jedoch nicht
mehr im Original erhalten ist.
204 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 453, sieht in der Anlageform des Eidbuchs sogar eine „Neuschöp-
fung“, wenngleich er davon ausgeht, dass die Ratsschriftlichkeit erst mit diesem Buch beginnt; gegen diese
Ansicht argumentiert Groten, Schriftwesen 553.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen