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III.1. Verwaltungsschriftwesen des Wiener Rats 43
bemerkbar: Neben dem Eidbuch, das noch zur Kategorie des Mischbuchs gezählt werden
kann, wurden – aufbauend auf wohl bereits ältere, bis in die 1320er Jahre reichende Vor-
läufer – ein Buch zur Niederschrift von Ratsbeschlüssen und ein Register geführt, das aus-
laufende Schriftstücke aller Art verzeichnete205. Die Buchführung der Finanzverwaltung
der Stadt erfolgte wahrscheinlich seit zumindest 1318 und durchlief eine im gesamten
Spätmittelalter vom Schriftwesen des Rats weitgehend unabhängige Entwicklung206.
Die Zeit um 1300 markiert auch in anderen Städten des Heiligen Römischen Reichs
den Beginn bzw. die stetige Zunahme des Schriftwesens207. In Nürnberg wurde beispiels-
weise im Jahr 1285 ein sogenanntes Achtbuch angelegt, in das die vom Schultheißgericht
ausgesprochenen Ächtungen bzw. auch Verbannungen auf Grundlage von Entscheidun-
gen autochthoner kommunaler Gerichte eingetragen wurden208. Im Jahr 1302 begann
schließlich der Nürnberger Rat mit der Anlage eines inhaltlich vermischten Ratsbuchs,
des sogenannten „Satzungsbuchs“, das sich wiederum um 1340 in einem ersten Schritt
und – mit weiteren Differenzierungen – um 1385 in mehrere Spezialbücher aufspaltete209.
In Lübeck wurde bereits ab 1227 – ein Jahr nach der Erhebung zur freien Reichsstadt –
ein Stadtbuch (liber civitatis) gemischten Inhalts geführt210. Ab ca. 1277 wurde zwischen
dem liber hereditatum für Grundstücksgeschäfte sowie dem liber debitorum für Aufzeich-
nungen über private Schuldverhältnisse und Verpfändungen von Grundstücken geschie-
den. Aufgrund der unterschiedlichen Aufbewahrungsorte der beiden Bände setzten sich
im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts die Bezeichnungen „Oberstadtbuch“211 für den
liber hereditatum und „Niederstadtbuch“212 für den liber debitorum durch. Auch die An-
fänge kommunaler Schriftlichkeit in Augsburg datieren in die Zeit zwischen dem ersten
205 Groten, Schriftwesen 558f.; Pitz, Schrift- und Aktenwesen 453, gibt die sich aus dem ältesten
Eidbuch ergebende Serienspaltung mit den Jahren um 1325/26 an. Vgl. auch die Edition: Beschlüsse, ed. Gro-
ten–Huiskes.
206 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 88–97, 453; Groten, Schriftwesen 559f. Die Rechnungsbücher
sind erst seit 1370 erhalten, ein Schreiber der für die Finanzen zuständigen Rentmeister tritt jedoch seit 1318
quellenmäßig in Erscheinung.
207 Vgl. hierzu vor allem die eingehenden Untersuchungen von Herrmann, Schriftlichkeit 304–337,
auf Basis von Erstbelegen städtischer Siegel, die jedoch nicht immer zwingend voraussetzen, dass das betref-
fende Schriftstück, an dem das Siegel hängt, auch in einer städtischen Kanzlei geschrieben wurde. Herrmann
konstatiert ein West-Ost-Gefälle in Bezug auf die Entwicklung kommunaler Schriftlichkeit, ausgehend von
der zweiten Hälfte des 12. Jhs. in Nordfrankreich und Flandern. Aus seinen Untersuchungen ergibt sich ein
sprunghafter Anstieg der Nachweise städtischer Siegel im Heiligen Römischen Reich zwischen 1220 und 1260
und eine stetig steigende Verbreitung bis 1310/11; siehe auch Kluge, Macht 46f.; Isenmann, Stadt 434. Einen
breiten Blick auf das Phänomen der städtischen Schriftlichkeit im Spätmittelalter unternehmen die beiden
Sammelbände zu „Medieval Urban Literacy“: Writing, hg. von Mostert–Adamska; Uses, hg. von dens.
208 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 159f.; Isenmann, Stadt 436; Edition: Acht-, Verbots- und Fehde-
bücher, ed. Schultheiss passim und bes. 16f. für eine Aufstellung von spätmittelalterlichen Achtbüchern von
Städten des Heiligen Römischen Reichs.
209 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 161–178, 454f.
210 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 455f.; Peters, Kanzleisprache 349; Isenmann, Stadt 434.
211 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 406; Peters, Kanzleisprache 350; vgl. zum Quellenwert dieser
Grundbücher auch Hammel, Hauseigentum passim.
212 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 412f.; Peters, Kanzleisprache 350; Isenmann, Stadt 438; jetzt auch
rezent: von Seggern, Quellenkunde 45–62 und passim, für eine weitreichende formale und inhaltliche Analyse
der Lübecker Niederstadtbücher des 15. Jhs. Ab der Mitte des 14. Jhs. erweiterten sich die Rechtsgegenstände,
die im Niederstadtbuch eingetragen wurden, wie z. B. Materien familien- und erbrechtlicher Natur und – seit
dem beginnenden 15. Jh. – auch Ratsentscheidungen in Zivilprozessen, vgl. Pitz, Schrift- und Aktenwesen
413; Simon, Lübecker Niederstadtbuch Charakterisierung 70–78; von Seggern, Quellenkunde 165–191. Das
von 1363 bis 1399 reichende Lübecker Niederstadtbuch ist ediert: Lübecker Niederstadtbuch, ed. Simon.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen