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46 III. Das Wiener Handwerksordnungsbuch
hunderts, in dem die Stadtvertreter vereinzelt eigenständig bzw. gemeinsam mit dem
Kapitel Urkunden ausstellten oder besiegelten235, schaffte es der Pressburger Stadtrat ab
den 1340er Jahren aus dem Schatten des Kollegiatkapitels hervorzutreten. Ab den späten
1340er Jahren ist eine selbstständige Urkundenausfertigung der Stadt anzunehmen, ein
Stadtschreiber ist jedoch erst für das Jahr 1364 namentlich genannt236. In diesem Jahr
wurde auch die Führung des ersten Pressburger Stadtbuchs – in der Forschung aufgrund
der Konzentration des Inhalts auf Finanzangelegenheiten als „Wirtschaftsbuch“ bezeich-
net – begonnen237.
Nach mehreren Büchern gemischten Inhalts begann ab den 1420er/30er Jahren
eine für ungarische Verhältnisse sehr frühe Differenzierung der Stadtbücher: Es wurden
Achtbücher (1435–1519) für die Verzeichnung von Kapitalverbrechern, Grundbücher
und Satzbücher (1439; 1429–1492; 1439–16. Jh.), Stadtrechtsbücher (stufenweise im
Laufe des 15. Jahrhunderts), Kammeramtsrechnungen (neben Fragmenten aus dem 14.
Jahrhundert ab 1434), Steuerbücher (1415/16, 1420 und weiter im 15. Jahrhundert),
Spitalbücher (ab 1441) und Zollbücher (1457) angelegt238. Die Gründe für diese bemer-
kenswerte Vielfalt an Spezialbüchern sind zahlreich. Neben der – wohl auch für andere
Städte anzuführenden – leichteren Auffindbarkeit und zentralen Verwahrung der Bücher
sowie dem wirtschaftlichen Aufschwung und der oftmaligen Präsenz des Königs und sei-
ner Kanzlei in der Stadt war es vor allem auch die geographische Nähe zu Wien, die
einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Pressburger Schriftwesen hatte. Das ab
1439 angelegte Grundbuch sowie die Rechnungsbücher von Pressburg orientierten sich
beispielsweise in ihrer Anlage stark am vergleichbaren Wiener Vorbild; auch wurde so
manche Handwerksordnung auf Grundlage eines Wiener Beispiels erstellt239.
Zusammenfassend kann also die Entwicklung städtischer Schriftlichkeit im Falle
Kölns bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Neben der Ausstellung von Ein-
zelurkunden waren es vor allem die erstmals in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhun-
derts nachweisbaren Stadtbücher, welche das Schriftwesen der städtischen Verwaltung
prägten. Wie an den oben genannten Beispielen zu sehen ist, wurden anfangs oftmals Bü-
cher vermischten Inhalts angelegt, die sich später mit der Vermehrung der Zuständigkeits-
bereiche und der wachsenden Autonomie bzw. Durchsetzung des Rats als rechtssichernde
und rechtsetzende Instanz in mehrere Spezialbücher aufspalteten. In Österreich unter und
ob der Enns lassen sich – mit Ausnahme von Wien – Stadtbücher erst gegen Ende des 14.
235 Die älteste selbstständig vom Stadtrichter und der Stadtgemeinde Pressburgs ausgestellte Urkunde
datiert von 1311; sie wurde jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Kapitel ausgefertigt, vgl. Šedivý, An-
fänge 90, 110 Abb. 1a; FRA III/21/1 12.
236 Šedivý, Anfänge 101; Goda–Majorossy, Selbstverwaltung 86f.; FRA III/21/1 14. Die zweite
Hälfte des 14. Jhs. markiert ebenso die Zunahme der deutschen Sprache in den Pressburger Urkunden, bis
dieselbe im 15. Jh. zur vorherrschenden Sprache der Pressburger Urkundentexte wird; die offizielle Sprache des
Kapitels als locus credibilis blieb weiterhin Latein, siehe Šedivý, Anfänge 97–99; rezent (mit einem Überblick
über weitere deutschsprachige Urkunden in Ungarn): Németh, Deutsche Kanzleisprachen bes. 224–237.
237 Šedivý, Anfänge 92; ders., Schriftkultur 124; Goda–Majorossy, Selbstverwaltung 89; FRA
III/21/1 15.
238 Vgl. konzise: Goda–Majorossy, Selbstverwaltung 91–99; FRA III/21/1 15f.
239 Goda–Majorossy, Selbstverwaltung 91; FRA III/21/1 16. Siehe zu den im Jahr 1438 neu konzi-
pierten Wiener Grund- und Satzbüchern ausführlich unten S. 52f. Aufgrund der geographischen Eingrenzung
der Aufnahme von Parallelüberlieferungen auf österreichische – und hier vor allem Wiener und niederösterrei-
chische – Beispiele (siehe dazu unten S. 177) wurden keine Pressburger Handwerksordnungen eingesehen. Ein
eingehender handwerksgeschichtlicher Vergleich der beiden Städte wäre wohl Inhalt einer eigenen umfangrei-
chen Studie.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen