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III.1. Verwaltungsschriftwesen des Wiener Rats 55
wird auch ausdrücklich erwähnt, dass die Handwerker eine Ordnung als Entwurf vorge-
legt hätten, den der Rat begutachtet, bestätigt und in das Stadtbuch eingetragen habe303.
Vereinzelt haben sich diese von den Handwerkern beim Rat eingereichten Entwürfe
bzw. die in der städtischen Kanzlei angefertigten Konzepte erhalten. Schon für die Zeit
vor der Anlage des HWOB ist solch ein relativ einfach gehaltenes Pergamentblatt für eine
Ordnung der Bader überliefert304. Ein Datum fehlt, einzelne Artikel weisen jedoch darauf
hin, dass es sich hier um den von den Badern im Jahr 1421 eingereichten Entwurf einer
Ordnung handelt, die vor allem Probleme mit den Untergebenen der Meister, allgemein
als diener305 bezeichnet, Sittenverstöße innerhalb des Handwerks bzw. kriminelle Delikte
anspricht306. Der Text enthält gleich zu Beginn die Anrede: Gnedigen lieben herren, wo-
raus geschlossen werden kann, dass es sich beim Adressaten um die Ratsherren handelt.
Danach werden die Umstände geschildert, die dazu geführt haben, dass eine Ordnung
erlassen werden muss307. Der Entwurf zählt in weiterer Folge – immer wieder unterbro-
chen durch die Anrede: lieben herren – die einzelnen Artikelvorschläge der Ordnung auf.
So fand beispielsweise ein die wilde bzw. unrechtmäßige Ehe (unee) betreffender Artikel
aus dem Entwurf in abgewandelter Form auch Aufnahme in die verschriftlichte Ordnung:
Derjenige, der in unee lebe, dürfe das Baderhandwerk nicht ausüben und müsse von der
Stadtobrigkeit – im Entwurf werden Bürgermeister und Rat genannt, in der Ordnung der
Stadtrichter – verurteilt werden308. Im Entwurf wird auf eine diesbezügliche Ordnung
von Bürgermeister Paul Holzkäufel und dem Rat der Stadt Wien aus dem Jahr 1400
verwiesen, die jedoch weder in T₁ noch im HWOB enthalten und auch nicht als Ori-
ginalurkunde unter den H. A.-Urk. des WStLA zu finden ist309. In der ausformulierten
Ordnung, die erstmals in T₃ niedergeschrieben wurde und auf deren Text die Abschrift
des HWOB beruht, fehlt der Verweis auf die Ordnung von 1400. Hier wird lediglich
erwähnt, dass der Stadtrichter urteilen solle, als der stat recht ist 310.
Im Gegensatz zu den Ordnungen des 15. Jahrhunderts haben sich für die des 16. Jahr-
hunderts vermehrt Konzepte in den H. A.-Akten des WStLA erhalten311. Diese wurden
in der Regel von der Ausstellerseite angefertigt: Die Handwerker legten die von ihnen ge-
wünschten Artikel vor, von städtischer Seite kamen die formelhaften Teile sowie diverse
303 So z. B.: Ordnung der Schneidergesellen (1442), siehe Nr. 82; Ordnung der Gürtler (1454), siehe
Nr. 91; als Beispiel für eine vom Landesfürsten ausgestellte Urkunde: Ordnung der Goldschläger (1481), siehe
Nr. 153.
304 WStLA, H. A.-Akten 29/15. Jh.
305 Dieser Begriff scheint sowohl im Entwurf als auch in der Ordnung allgemein für männliche und
weibliche Bedienstete der Meister – Lehrlinge, Gesellen und Mägde – Verwendung zu finden; siehe zu den
ansonsten im HWOB vorzufindenden Bezeichnungen für Lehrlinge und Gesellen unten S. 69f., 89–92.
306 Siehe Nr. 209.
307 WStLA, H. A.-Akten 29/15. Jh.: Wann uns ayn diener aws dem dienst get, des vil geschiecht, davon
wir grozz schèden nemen, wann wìr unsers hanntwerchs allain nicht gearbaytten mùgen, als das ewr weishayt wol
verstet, sein wìr aynhellichleich ùberain worden, maister und diener des gantzen hanntwerchs, ob es ewrn gnaden also
gevellet. Die Narratio der Ordnung berichtet davon, dass die Meister ettleich geprechen und unordnung vorgelegt
hätten, die vorher under in gegen irm dinstvolkch und gesind und das gesind wider sy von unbesichtikait gehalten
hieten, siehe Nr. 209.
308 WStLA, H. A.-Akten 29/15. Jh.; Nr. 209 Art. 8.
309 WStLA, H. A.-Akten 29/15. Jh.: Das hat gepoten Paul Holtzkewffel, dietzeit purgermaister, und der
gantz rat der stat ze Wienn, do man zalt von Kristi gepurd viertzehenhundert jar.
310 Siehe Nr. 209 Art. 8.
311 Beispielsweise WStLA, H. A.-Akten 42/16. Jh., siehe Nr. 306; 3/1540, siehe Nr. 345; 5/1545, siehe
Nr. 182.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen