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III.2. Allgemeines zur Geschichte der Handschrift 57
Wie die obigen Beispiele zeigen, lag nach erfolgter Durchsetzung des HWOB als
rechtssichernde und rechtsetzende Instanz die Initiative für die Eintragung einer neuen
Ordnung in das HWOB in vielen Fällen bei den Handwerkern selbst. Diese wandten
sich mit den von ihnen gewünschten Artikeln an den Wiener Stadtrat, der wiederum ein
Konzept erstellen ließ, das als Grundlage für die Eintragung in das HWOB diente. Wie
weitere bis in das ausgehende 17. Jahrhundert reichende, jedoch außerhalb des Unter-
suchungszeitraums der vorliegenden Studie liegende Beispiele zeigen321, entstanden die
Handwerksordnungen bis weit in die Frühe Neuzeit somit in einem Zusammenspiel zwi-
schen Vertretern des jeweiligen Handwerks und der städtischen Obrigkeit. Beide Seiten
hatten dadurch Vorteile. Für die Handwerker bedeutete die Niederschrift im HWOB
eine zentral aufbewahrte Sicherung ihrer Ordnungen. Die von Herzog Rudolf IV. im
Jahr 1364 getroffene Bestimmung, dass die Ausstellung einer Handwerksordnung allein
Zuständigkeit des Rats sei, hat sich im 15. und 16. Jahrhundert ohne Zweifel durchge-
setzt und ist gängige Praxis geworden322. Die städtische Obrigkeit hatte durch die Ein-
tragung in das HWOB wiederum die Möglichkeit, einen Überblick über die geltenden
Handwerksordnungen zu behalten und somit leichter Kontrolle über die Einhaltung der
Normen auszuüben323.
III.2. Allgemeines zur Geschichte der Handschrift
Der Kodex befindet sich im WStLA und trägt die aktuelle Signatur Sammlungen,
Handschriften, A 97/1, die ältere, heute nicht mehr gültige Signatur lautete B 8/1. Er
wurde im Jahre 1430 durch den seit 1429 amtierenden Stadtschreiber Ulrich Hirssauer
angelegt324 und stellt wohl primär das Resultat einer verwaltungstechnischen Ordnungs-
maßnahme dar. Hirssauer versammelte zahlreiche Handwerksordnungen, aber auch
teilweise andere Texte wie Ratsbeschlüsse etc., in einem Band und benutzte dazu Ein-
zelurkunden und Einträge in ältere Stadtbücher, wie beispielsweise die drei sogenannten
Testamentenbücher (WStLA, Sammlungen, Handschriften, A 285/1–3) oder das Eisen-
buch (WStLA, Sammlungen, Handschriften, A 1/1)325.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch wurde bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wei-
tergeführt, die jüngste eingetragene Ordnung stammt aus dem Jahre 1555326. Die letzte
frühneuzeitliche Benützungsspur stellt allerdings eine Anmerkung zu einer Fischerord-
nung dar, die nach dem 31. August 1661 eingetragen worden sein muss327. Hinweise da-
rauf, dass die Handschrift – zumindest, was die darin enthaltenen Eide betrifft – tatsäch-
lich noch bis in das 17. Jahrhundert in Verwendung stand, bieten beispielsweise Vermerke
zum Stadtschreibereid, die einerseits auf den 5. Januar 1579 und andererseits auf den 9.
321 Zatschek, Konzepte 292–325.
322 Siehe oben S. 25. In Bezug auf die Ordnungen mit bruderschaftlich-religiösem Schwerpunkt gilt
diese Aussage nur zum Teil, siehe dazu unten S. 134.
323 Zu Handwerksordnungen als Herrschaftsinstrument des Rats vgl. Dirlmeier, Obrigkeit 445f.
324 Vgl. dazu den Eintrag auf dem ehemaligen Einbandspiegel, heute fol. IIIv: Anno Domini
MoCCCCoXXXo pey Vlreichs Hirssawèr, statschreibèr, zeiten ist das puch gemacht und aller hantwerhèr recht und
ordnung aus den eltern statpùchern getzogen, darein aigentlich geschriben worden.
325 Siehe dazu ausführlich oben S. 25f.
326 Ordnung der Leinweber, siehe Nr. 72.
327 Siehe Nr. 331 Anm. a: N(ota) b(ene) diese ordnung ist von kayser Maximiliano a(nn)o Domini 1517
[siehe unten Nr. 341], item a Leopoldo primo a(nn)o 1661, den 31. August, confirmirt.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen