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74 IV. Inhaltliche Aspekte
der Ordnung der Zimmerleute aus demselben Jahr wieder416. In der Zaumstrickerordnung
von 1452 wird sogar direkt gesagt, dass ein Lohnjunger, also ein Lehrling, der bereits seine
Lehre abgeschlossen, jedoch noch keinen Gesellenstatus erlangt hat, kein Trinkgeld erhal-
ten solle, solange er keinen Gesellenlohn verdiene417. Dass es trotzdem Handwerkssparten
gab, in denen Lehrlinge Lohn erhielten, ist anzunehmen. Heinz Zatschek gibt in diesem
Zusammenhang zu bedenken, dass man diese Löhne unter Umständen aus unterschiedli-
chen Auflagegeldern von Gesellen und Lehrlingen indirekt ableiten könnte, doch sind auch
hier die Informationen so spärlich bis nicht vorhanden, dass dies nur Spekulation bleiben
würde418. Auch Pauline Hollnsteiner beklagt die wenigen Hinweise auf die Entlohnung der
Lehrlinge und kommt zu dem Schluss, dass der Lohn wohl meist im Ermessen des Meisters
lag; festgelegte Lohnsätze – wie sie für die Gesellen öfters überliefert sind419 – kann sie für
das 15. Jahrhundert auch in anderen österreichischen Städten nur selten finden420.
IV.1.4. Pflichten und Rechte der Lehrlinge
Auch die Pflichten der Lehrlinge bzw. Lohnjunger sind im HWOB nur selten genau
definiert. Kaum erhält man so ausführliche Nachrichten wie in der Hufschmiedeord-
nung von 1532. Die Lohnjunger müssen hier ebenso wie die Gesellen jede Woche einen
Pfennig auflegen421. Außerdem ist es ihnen gestattet zu wandern, jedoch müssen sie diese
Wanderschaft zwischen den Wanderzeiten (Ostern, Pfingsten, Jakobstag, Michaelstag,
Weihnachten) 14 Tage vorher ankündigen, während der Wanderzeit acht Tage davor422.
Dass sowohl Gesellen als auch Lehrlinge in die Gesellenbüchse Geld einlegen, ist laut der
Schneidergesellenordnung von 1442 in diesem Handwerk üblich, wobei die Lehrlinge
nur einen Helbling zahlen müssen, während die Gesellen einen Pfennig entrichten423.
Häufiger als Regelungen zum Verhalten des Lehrlings in der Gemeinschaft finden sich
Vorschriften bezüglich des vorzeitigen, unerlaubten Abbruchs der Lehre. Dieses in der
handwerksgeschichtlichen Forschung oftmals „Entlaufen“ genannte Phänomen dürfte ein
weit verbreitetes Konfliktfeld zwischen Meistern und Lehrlingen dargestellt haben. Das
Ausdienen der Lehrjahre wurde vom Meister erwartet und war wohl auch Gegenstand der
Vereinbarung, die zu Beginn der Lehrzeit zwischen Meister und Lehrling getroffen wurde.
Es dürfte jedoch oft genug vorgekommen sein, dass ein Lehrling ohne Absprache mit sei-
nem Ausbildner das Lehrverhältnis einseitig abbrach424. Die Sanktionen, die ein entlaufe-
Plumentrit und seine Ehefrau Elisabeth dem gerade bei ihnen aufgenommenen, noch nicht volljährigen Sohn
des verstorbenen Schusters Hans Baldauf, Wolfgang, versprechen, ihn in ihrem Haushalt aufzunehmen, zu
erziehen, ihn das Handwerk zu lehren und mit aller Notdurft zu versorgen, als dann ainem solhen knaben zuge-
puret; vgl. dazu QGW II/2 Nr. 2382; Zatschek, Handwerk 163–165 (mit Abb.).
416 Siehe Nr. 237 Art. 2.
417 Siehe Nr. 117 Art. 5; Zatschek, Handwerk 163.
418 Zatschek, Handwerk 163.
419 Siehe unten S. 99f.
420 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 30f. Bei den Schleifern von St. Pölten war es z. B. üb-
lich, ab dem dritten Lehrjahr einen Lohn zu zahlen, dessen Höhe aber je nach Können des Lehrlings angepasst
wurde, vgl. dazu Horawitz, Zunftwesen 2 218.
421 Siehe Nr. 352a Art. 1.
422 Siehe Nr. 352b Art. 1.
423 Siehe Nr. 82 Art. 1.
424 Schlenkrich, Alltag 112–114, kann für Sachsen eine vom 15. bis zum 18. Jh. durchgehende Ak-
tualität dieses Problems feststellen.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen