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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Seite - 79 -
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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 79 Zum einen waren die Gesellen also der Zunftordnung unterworfen, zum anderen genos- sen sie auch – zumindest teilweise – den Schutz der Zunft, da in der Regel ein gegensei- tiges Treueverhältnis zwischen Meister und Geselle herrschte; oftmals lebten beide Seiten nicht nur in einer Arbeits-, sondern auch in einer Lebensgemeinschaft miteinander447. Für das späte Mittelalter gibt es in der Tat nicht viele Belege dafür, dass Gesellen eine ei- gene Wohnung hatten oder gar verheiratet waren, oftmals waren in Ehe lebende Gesellen in einem Handwerk sogar schlechter gestellt als ihre ledigen Kollegen, da sie stärker an ihren eigentlichen Wohnort gebunden waren, aus dem Meisterhaushalt mit großer Wahr- scheinlichkeit ausschieden und mit dem oftmals spärlichen Lohn auch Frau und Kinder mitversorgen mussten448. IV.2.2. Entstehungsfaktoren von Gesellenschaften Die Etablierung des Gesellenwesens kam also in ihren Grundzügen im Laufe des 14. Jahrhunderts zum Abschluss. Jedoch müssen die Existenz von Gesellen an sich und die Entwicklung relativ eigenständiger Gesellenorganisationen getrennt voneinander betrach- tet werden. Besonders gegen Ende des 14. Jahrhunderts kann in zahlreichen Städten des deutschen Sprachraums eine Zunahme an mehr oder weniger eigenständigen Gesellen- organisationen beobachtet werden, für die sich in der rezenteren Forschung der Begriff „Gesellenschaften“449 eingebürgert hat. Die Anfänge dieser Vereinigungen von Gesellen eines Handwerks gehen mutmaßlich noch in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts zu- rück. Schon 1323 soll eine Vereinigung der Bäckergesellen in München bestanden haben, die jedoch urkundlich nicht belegbar ist450. In Breslau legten die Gürtlergesellen 1329 kollektiv die Arbeit nieder, 1331 gab es bereits in Berlin eine Gesellenschaft der Woll- und Leinwebergesellen, die auch durch eigene Statuten reglementiert war451. Gesellenschaften mit komplexer und ausgeprägter Binnenstruktur können jedoch erst im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts nachgewiesen werden452. Den Faktoren, welche die Entstehung die- ser Gesellenschaften maßgeblich beeinflusst haben, ist eine langanhaltende Forschungs- 447 Von Heusinger, Zunft 63. Das gemeinsame Leben von Meister und Gesellen in einem Haushalt regte die Forschung dazu an, die Handwerksgemeinschaften in Beziehung zum durch Otto Brunner formulier- ten Modell des „ganzen Hauses“ zu stellen und diese als eine Form desselben zu sehen. Bereits Brunner, Das „Ganze Haus“ 109, sprach den Gesellen eine eingeschränkte „selbständige Handlungsfähigkeit“ ab, da sie in der Regel im Haus des Meisters Kost und Logis erhielten. Zur Rezeption dieses Modells in der Handwerks- geschichtsschreibung – jedoch vor allem auf neuzeitliche Quellen bezugnehmend – vgl. Rosenbaum, Formen 181. Zur Ablehnung der Umlegung des Modells des „ganzen Hauses“ auf die Beziehung zwischen Meistern und Gesellen siehe vor allem Reininghaus, Ganzes Haus bes. 55–57 und 67–70. Reininghaus zeichnet hier eine gegen Ende des 14. Jhs. zunehmende Konfliktgeschichte zwischen Handwerksmeistern und -gesellen, wobei Letztere vermehrt ihre eigenen Interessen verfolgten und sich nicht der Herrschaft der Meister unterwarfen; für ihn ist das Modell des „ganzen Hauses“ höchstens für das Handwerk des 12. bzw. 13. Jhs. anwendbar, wobei hier meist eindeutige Quellen fehlen, um dies zu beweisen. Zur Rolle des Modells des „ganzen Hauses“ in der Handwerksforschung siehe auch konzise Korge, Kollektive Sicherung 118f., sowie zur allgemeinen Bedeutung von Brunners Theorie für die wirtschaftsgeschichtliche Forschung Groebner, Außer Haus passim; Derks, Faszination passim; Weiss, Otto Brunner passim. 448 Reininghaus, Gesellengilden 218f. und 225–227; Kluge, Zünfte 170f. 449 Kluge, Zünfte 199; Korge, Kollektive Sicherung 67f., 70. 450 Kluge, Zünfte 165. 451 Reininghaus, Gesellengilden 61, 258 (hier aber irrig zu 1131); Kluge, Zünfte 199. 452 Reininghaus, Gesellengilden 63. Beispielsweise im Deutschordensstaat (1385, Bäcker- und Schmiedegesellen), in Überlingen (1395, Schneidergesellen) oder in Basel (1399, Schneidergesellen).
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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