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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Seite - 88 -
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88 IV. Inhaltliche Aspekte Sonn- und Feiertagen abends wieder rechtzeitig daheim sein soll, damit sein maister mit dem essen auf in nicht bedùrff zu wartten510. Untersagt wird den Gesellen auch, nächtens nach dem Läuten der Bierglocke ohne Licht in den Straßen unterwegs zu sein511. Un- zweifelhaft unterstreicht der Rat in einem ausführlichen Artikel auch seine Autorität in Rechtsfragen, welche die Gesellen betreffen; diese sollen sich weder untereinander abspre- chen noch sollen sie selbst richten. Bei Streitigkeiten zwischen Meister und Gesellen bzw. Zerwürfnissen zwischen Gesellen bleibt den Betroffenen nur der Weg vor den Stadtrichter oder Bürgermeister und Rat512. Die allgemeine Gesellenordnung von 1439 regelt somit detailliert einige Probleme, die in den Jahrzehnten davor immer wieder zu Konflikten zwischen Meistern und Ge- sellen geführt hatten. Interessanterweise geht sie allerdings nicht direkt auf die Frage der nicht genehmigten Gesellenversammlungen ein, die ja vor allem im Jahre 1433 anschei- nend Ausgangspunkt für schwere Zerwürfnisse waren. Auch wird das Problem des Ne- benverdienstes der Gesellen, des Schoßwerks, das in den Schneiderordnungen von 1419 und 1422 noch prominent vertreten war, mit keinem Wort erwähnt. Die allgemeine Ge- sellenordnung deckt also einige weiter oben erwähnte Konfliktpunkte ab, andere wiede- rum spart sie aus nicht bekannten Gründen aus. Zusammenfassend lassen sich vor oder um 1400 – vor allem im arbeitskräfteinten- siven Gewerbe der Schneider, aber auch bei den Schwertfegern, Messerern und den bisher noch nicht erwähnten Fleischhauern513 – Gesellen nachweisen, ob jedoch eine Organisa- tion in Gesellenschaften vor 1400 vereinzelt vorhanden war, kann nicht belegt werden514. Die älteste Nennung einer Gesellenschaft im Jahre 1411 lässt jedoch vermuten, dass diese Entwicklung zu jenem Zeitpunkt nicht unbedingt etwas bahnbrechend Neues darstellte. Greifbar werden Wiener Gesellenschaften erstmals durch Konflikte mit den Meistern. Die Forderungen der Gesellen umfassen vor allem arbeitsrechtliche Fragen, wie sie sich beispielsweise aus der oben genannten Schneiderordnung von 1419 ergeben, da hier die Schneidergesellen erstmals als Gruppe auftreten und sich gegen die Vorwürfe der Meister verteidigen. Dieses Vorgehen der Gesellen zeigt bereits einen gewissen Grad an Organi- sation, wenngleich es bis zum ersten wirklich als Ordnung einer Wiener Gesellenschaft erkennbaren Text noch bis zum Jahr 1442 dauert515. Welche Rolle die allgemeine Ge- sellenordnung von 1439 für die Durchsetzung von Gesellenschaften gespielt hat, muss weitgehend offenbleiben. Ob dieses Statut tatsächlich einer „Quasi-Anerkennung“516 der Gesellenorganisationen in Wien von städtischer Seite gleichkommt, da der Umtrunk der Gesellen an arbeitsfreien Tagen erlaubt wird, kann nicht pauschal gesagt werden. Deutlich wird allerdings, dass die Stadt den offenbar zuvor weit verbreiteten Unruhen nicht länger zusehen wollte und den Schritt einer im HWOB nicht allzu häufigen517 handwerksüber- greifenden Ordnung setzte. Die Gesellen wurden vom Rat der Stadt offenbar deutlich 510 Siehe Nr. 244 Art. 1; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 79. 511 Zur Bierglocke, die die Sperrzeiten der Schenken angab, siehe Opll, Zeitverständnis 41. 512 Siehe Nr. 244 Art. 3. 513 Siehe Nr. 198 und 199. 514 Siehe dazu auch Piepes, Geschichte 117f. 515 Siehe Nr. 82. 516 Reininghaus, Ganzes Haus 67. 517 Gerade noch die auf dem letzten Blatt (fol. 233v) der Handschrift befindliche Fornleichnamsprozes- sionsordnung aus dem Jahr 1463 greift in ihrer Bestimmung auf mehrere Handwerke aus. Siehe Nr. 358; unten S. 114.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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