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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Seite - 94 -
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94 IV. Inhaltliche Aspekte men gegen die Heirat von Gesellen, mitunter durfte ein verheirateter Geselle nicht einmal mehr Meister werden und blieb „ewiger Geselle“562. Wenn der Geselle die Voraussetzungen für die Aufnahme in eine Werkstatt erfüllte, dann gab es mehrere Möglichkeiten, um eine Arbeitsstelle zu finden. Dabei sind vier un- terschiedliche Varianten der Vermittlung bzw. Arbeitsanbahnung zu unterscheiden: Zum einen konnte – wie es wohl ursprünglich in vielen Gewerben üblich war – der neuan- gekommene Geselle selbst von Werkstatt zu Werkstatt auf Arbeitssuche ziehen. Mit der Etablierung der Herberge wählte zum anderen der Meister, der einen Gesellen brauchte, die Arbeitskraft an ebendiesem Ort selbst aus. Drittens waren auch die Vermittlung durch Vertreter der Gesellenschaft und viertens jene durch den Herbergsvater durchaus üb- lich563. Dass der Geselle direkt in der Werkstatt beim Meister vorspricht und sich um eine Arbeitsstelle bewirbt, begegnet beispielsweise noch in der Schneiderordnung Albrechts V. von 1422564. In der Ordnung des Jahres 1436 sind die Schneidermeister aber bereits dazu übergegangen, die Gesellen in der Herberge anzuwerben565. 1453 scheint die älteste Form der Arbeitssuche zumindest teilweise noch bei den Hutmachern üblich gewesen zu sein, jedenfalls hatte der ankommende Geselle anscheinend die Möglichkeit, zuerst zu einem Meister in die Werkstatt zu gehen und nach dem Arbeitskräftebedarf zu fragen; erst bei einer negativen ersten Suche setzte die Vermittlung der Arbeit in der Herberge ein566. Besonders bei den Schustern war diese letztgenannte zweite Form der Anwerbung eines neuen Gesellen üblich: das Ansprechen durch den Meister oder durch einen von diesem geschickten Boten in der Herberge. Schon 1422 findet sich die Bestimmung, dass der Meister einen Gesellen lediglich in der Herberge wegen einer Arbeitsstelle anwerben dürfe567. In der Schusterordnung von 1443 bestimmt der Rat, dass sogar die Anwerbung durch einen Boten des Meisters bindend sei, und dass der Geselle beim ersten Meister, der ihn anspricht, in Dienst treten solle; falls er dies ablehne, dürfe er innerhalb eines Jahres bei keinem anderen Meister in Wien arbeiten568. Wahrscheinlich lag diese strenge Gestaltung des Artikels vor allem darin begründet, dass die Gesellen sich ansonsten vor allem Arbeitgeber aussuchen würden, die bessere Löhne zahlten und somit weniger ver- mögende Meister auf der Strecke geblieben wären569. Auch noch ein halbes Jahrhundert später (1495) taucht die Herbergsanwerbung durch den Meister oder einen von diesem beauftragten Boten bei den Schustern auf 570. Dieselbe Bestimmung trifft Matthias Cor- vinus 1488 in seinem Privileg für die im Wiener Burgfried lebenden Müller und deren 562 Reininghaus, Gesellengilden 218, 221; Schulz, Handwerksgesellen 47, 50; Bräuer, Gesellen 37f., 78, 99–101, 104; Kluge, Zünfte 171f.; Korge, Kollektive Sicherung 121f. Relativ hoch war der Anteil an verheirateten Gesellen vor allem im Textil- und Baugewerbe. 563 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 52–54. Siehe dazu auch Uhlirz, Gewerbe 633; Zat- schek, Handwerk 177f.; Hülber, Arbeitsnachweise 8f. Vgl. auch allgemein zum Umgang mit wandernden Gesellen bis in das 17. Jh.: Schulz, Solidarität passim. 564 Siehe Nr. 80 Art. 1. 565 Siehe Nr. 81 Art. 2; Hülber, Arbeitsnachweise 8. 566 Siehe Nr. 271 Art. 4; Uhlirz, Gewerbe 633. 567 Siehe Nr. 83 Art. 7. 568 Siehe Nr. 84 Art. 3. 569 Jedenfalls beschweren sich die Schustermeister 1443 vor dem Rat, dass die Gesellen lieber dienten den reihen maistern denn den armen (Edition Nr. 84 Narratio), vgl. dazu Westermayer, Beiträge 121; Hollnstei- ner, Lehrlings- und Gesellenwesen 53; Reininghaus, Gesellengilden 46. 570 Siehe Nr. 312 Art. 3.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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