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98 IV. Inhaltliche Aspekte
gutem Grund hervorhebt, zeigen die Bestimmungen, die sich auf die gleiche Anzahl von
Gesellen bei jedem Meister beziehen, vor allem aber auch, dass die Angaben meist nur
Höchstgrenzen darstellten und viele weniger vermögende Meister wohl mit lediglich ei-
nem oder gar keinem Gesellen auskommen mussten613.
IV.2.4.2. Arbeitszeit und Entlohnung der Gesellen
Wie bereits weiter oben besprochen614, war das richtige Maß von Arbeits- und Freizeit
eines der Hauptanliegen der in das frühe 15. Jahrhundert zurückreichenden Gesellenbe-
wegungen in Wien. Die Frage des „Feierns“ unter der Arbeitswoche und der Einhaltung
des „guten“ oder „blauen“ Montags soll deswegen an dieser Stelle nur mehr gestreift und
weiter in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts und noch in das 16. Jahrhundert hinein
verfolgt werden615.
Grundsätzlich kann von einem relativ langen Arbeitstag ausgegangen werden, wie
vereinzelt überlieferte Angaben des Arbeitsbeginns und -endes schließen lassen. Die
Ordnung der Steinmetze und Maurer zeigt, dass die Gesellen am Morgen und nach den
Pausen wieder rechtzeitig am Arbeitsplatz sein sollen, jedoch abends auch rechtzeitig ent-
lassen werden müssen616. Die Arbeitszeiten sollten im Idealfall also genau eingehalten
werden. Bei den Hafnern findet sich 1489 erstmals eine genaue Angabe zu Beginn und
Ende des Arbeitstages: Jeder Geselle muss sowohl im Winter als auch im Sommer zur
preimzeyt, also um sechs Uhr früh, mit seiner Tätigkeit beginnen und darf diese erst um
sibne zu abnt beenden, was eine Bruttoarbeitszeit von dreizehn Stunden ergibt617. Im Ge-
gensatz zu den Hafnern dürften beispielsweise die Sporer (1444) einen Unterschied zwi-
schen der Winter- und Sommerarbeit gemacht haben, da in der betreffenden Ordnung
ausdrücklich ein Lohnzuschlag für diejenigen Gesellen erwähnt wird, die im September
(vir wochen vor sant Michelstag) früh aufstehen und bei Kerzenlicht (bey dem liecht) arbei-
ten618. Bei den Schneidern wird 1419 bestimmt, dass die Herstellung von Schoßwerk, also
des Eigenverdienstes der Gesellen, in den Nächten vor gewissen Feiertagen wie Ostern,
Pfingsten oder Weihnachten nicht gestattet sei619. Es scheint also in diesem Handwerk
durchaus üblich gewesen zu sein, nächtens seine Arbeit – oder zumindest das Schoß-
werk − zu verrichten. Weitere Hinweise auf die Arbeitszeit der Gesellen lassen sich im
HWOB nicht finden, jedoch kann allgemein – wie die Analyse weiterer, teilweise in die
Frühe Neuzeit reichender Angaben zeigt620 – von einer durchschnittlichen Arbeitsdauer
von dreizehn bis sogar fünfzehn Stunden am Tag ausgegangen werden, reduziert durch bis
zu drei Pausen (Frühstück, Mittagessen, Jause)621.
613 Zatschek, Handwerk 201f.
614 Siehe S. 84−89. Vgl. auch grundlegend zu Arbeitszeitregelungen: Bräuer, Herren passim; Wulf,
Arbeit passim; Fouquet, Zeit passim; Reith, Arbeitszeit passim.
615 Siehe unten S. 102.
616 Siehe Nr. 206 Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 73.
617 Siehe Nr. 309 Art. 21; Uhlirz, Gewerbe 633; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 73;
Zatschek, Handwerk 185.
618 Siehe Nr. 245b Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 74; zur Lichtarbeit, die auch
ein langes Arbeiten in die Nacht hinein bedeuten konnte, siehe allgemein Reith, Arbeitszeit 44–47.
619 Siehe Nr. 78 Art. 3; Uhlirz, Gewerbe 633; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 74; oben
S. 86.
620 Zatschek, Handwerk 185f.
621 Dirlmeier, Untersuchungen 134, gibt ähnliche tägliche Arbeitszeiten für Basler und Münchner
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen