Seite - 102 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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102 IV. Inhaltliche Aspekte
eine Lohnkürzung auch ein bereits weiter oben647 ausführlich besprochenes Konfliktfeld
zwischen dem Meister und seinen Gesellen: das unerlaubte „Feiern“ während der Ar-
beitswoche. 1412 wird bei den Messerern bestimmt, dass den Gesellen jeder Tag, den sie
unerlaubterweise versäumen, vom Wochenlohn abgezogen wird648. Schon 1421 legt der
Rat auf Beschwerde der Zinngießermeister fest, dass einem Gesellen, der unter der Woche
feiert, der gesamte Wochenlohn entzogen werden soll649. Der allgemeinen Gesellenord-
nung von 1439 nach dürfen Gesellen neuankommende Kollegen nur mehr an arbeits-
freien Tagen bewirten; bei unerlaubtem „Feiern“ soll dem Gesellen ebenso der gesamte
Wochenlohn entzogen werden650. Diese Maßnahme wird 1470 bei den Messerern noch-
mals verschärft: Neben dem Verlust des Wochenlohns muss der Geselle seinem Meister
auch noch die Kost, also Verpflegung und Logis, bezahlen651. Eine andere Möglichkeit der
Strafe für unerlaubtes Feiern bestand darin, die Gesellen den Rest der Woche nicht mehr
arbeiten zu lassen, wobei auch Lohn und Kost für diese Zeit gestrichen wurden. Erstmals
ist diese Maßnahme 1419 bei den Schneidern überliefert652. Weiters findet sie sich bei den
Gürtlern (1454)653, den Taschnern (1473)654 und den Kürschnern (1489)655.
In der Frage des „blauen Montags“ schließlich sind auch nach den konfliktreichen
Zeiten zwischen Meistern und Gesellen von den 1410er bis 1430er Jahren im HWOB
einige Verbote zu finden, beispielsweise bei den Hutmachern (1453)656 oder den Hand-
schustern (1517, 1518/19)657. In der Leinweberordnung von 1555 wird in Bezug auf den
blauen Montag (plaben montag) wahrscheinlich auf die 1552 erlassene Policeyordnung
verwiesen658. Generell kann der blaue Montag also bis weit in das 16. Jahrhundert, ja so-
gar noch viel später659, als Konfliktpunkt erkannt werden, dessen Bekämpfung mit merk-
lich zunehmenden Strafen vorangetrieben wurde.
647 Siehe oben S. 84−89.
648 Siehe Nr. 102 Art. 1.
649 Siehe Nr. 146; Uhlirz, Gewerbe 660; Wacha, Zinngießer 356.
650 Siehe Nr. 244 Art. 2, und oben S. 87f.
651 Vgl. dazu Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 77. So auch 1511 in einer Ordnung Ma-
ximilians I. für die Messerer, siehe dazu Zatschek, Handwerk 198.
652 Siehe Nr. 78 Art. 1; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 77; Reininghaus, Gesellengil-
den 172.
653 Siehe Nr. 92 Art. 3.
654 Siehe Nr. 93 Art. 8.
655 Siehe Nr. 160 Art. 1.
656 Siehe Nr. 271 Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 76; Zatschek, Handwerk 188.
Als Strafe werden die unerlaubt freigenommenen Tage vom Wochenlohn abgezogen.
657 Siehe Nr. 343 und 345 Art. 4. Der blaue Montag wird hier durchgehend guter montag genannt, die
Strafe bei Nichteinhaltung der Bestimmung fällt mit der Zahlung eines Vierdung Wachs relativ hoch aus.
658 Siehe Nr. 72 Art. 2. In der Reichspoliceyordnung von 1548 findet sich im Teil über die Handwerker
jedenfalls kein Bezug zum unerlaubten Feiern, siehe dazu Reichspolizeiordnungen, ed. Weber 167–214, bes.
212f. In der Policeyordnung für die Niederösterreichischen Länder von 1552 ist die bereits 1527 erlassene Poli-
cey- und Handwerksordnung Ferdinands I. nochmals enthalten, in der in mehreren Kapiteln auf das unerlaubte
Feiern an Werktagen eingegangen wird. Siehe zu den Bestimmungen von 1527 Thiel, Handwerkerordnung
53f., und oben S. 37f. Zur Policeyordnung von 1552 vgl. Brauneder, Gehalt bes. 208f.; Pauser, Landesfürst-
liche Gesetzgebung 222–224; ders., Policeyordnungen 148–166.
659 Zatschek, Handwerk 185–189, beschreibt die gegen den blauen Montag getroffenen Maßnahmen
bis in das 18. Jh. ausführlich. Der Montag als freier Tag dürfte sich in Österreich nur schwer allgemein durch-
gesetzt haben, bei den meisten Handwerken stand er unter Verbot. Andererseits können diese Verbote auch auf
eine gängige Praxis des blauen Montags hindeuten. Siehe zum blauen Montag auch Wissell, Recht 2 415–434;
Reith, Lohn 335f.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen