Seite - 140 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Bild der Seite - 140 -
Text der Seite - 140 -
140 IV. Inhaltliche Aspekte
ihre Stecknadeln mit einer nicht näher definierten Marke981 und beschaute Tuche wurden
bulliert (gepleyt), also wohl mit einer Art Bleisiegel versehen982.
IV.3.2.2. Der gemeinsame Einkauf von Werkzeug und Arbeitsmaterialien
Neben den bisher erwähnten arbeitsbezogenen Aufgabengebieten der Zechmeister
bzw. der Zeche im Gesamten ist die Organisation des gemeinschaftlichen Ankaufs von
Werkzeug und Arbeitsmaterial noch nicht ausführlich erwähnt worden, doch war gerade
diese organisatorische Einrichtung innerhalb der Zeche sicher einer der zentralen Vorteile,
die ein Handwerkerverband innerhalb einer Stadt bieten konnte. Traditionell wird hierbei
zwischen drei verschiedenen Formen des gemeinschaftlichen Einkaufs unterschieden983.
Der Teilkauf bedeutet erstens, dass ein Meister, der gerade einen Kauf abschließt, einen
anderen Meister, der dabei anwesend ist, zum gleichen Preis, zu dem er selbst die Ware
erworben hat, teilhaben lässt. Zweitens kann der Kauf auf Vermittlung durch die Zeche
zustande kommen: Eine gewisse Menge einer bestimmten Ware trifft in der Stadt ein und
der Kauf findet zu einer durch den Zechmeister festgesetzten Zeit in Anwesenheit aller
Meister des betreffenden Handwerks statt, wobei für die Ware ein Einheitspreis festgelegt
wird, den jeder Meister einzeln bezahlen muss. Als dritte Form ist noch der Zunftkauf zu
nennen, bei dem die Zunft als ein Kollektiv auftritt und beim Kaufabschluss einer der
beiden Vertragspartner ist.
Der Teilkauf tritt beispielsweise in der Barchentweberordnung von 1446 deutlich in
Erscheinung: Welcher Meister auch immer Warf kauft, der soll andere beim Kauf anwe-
sende Meister zum gleichen Preis am Kauf teilhaben lassen984. Als weitere Beispiele für
den Teilkauf sind die Ordnungen der Drechsler, Holzschuster und Schüssler (1451)985
oder der Kammmacher und Bürstenbinder (1472)986 zu nennen. Differenziertere Bestim-
mungen finden sich in der Weißgerberordnung von 1544: Ein Weißgerbermeister darf
höchstens zehn Hirschhäute und 50 Felle für sich selbst kaufen. Wenn eine größere An-
zahl davon in der Stadt ist, dann müssen diese Waren für das gesamte Handwerk ange-
schafft werden987.
981 Siehe Nr. 109; Uhlirz, Gewerbe 627, 664.
982 Siehe Nr. 56 Art. 4; 60 Art. 7; 61 Art. 1; 298 Art. 7; Uhlirz, Gewerbe 669. Barchent wurde mit
der sogenannten Stadtmarke (der stat marich) bulliert, siehe Nr. 64 Art. 2; 65 Art. 6; Uhlirz, Gewerbe 675.
Vgl. dazu allgemein: Clemens, Tuchsiegel passim; zur Tuchbullierung in der Stadt Zwettl im 16. und 17. Jh.
vgl. Schmidt, Marktbeschau 140; zu den Tuchsiegeln der Stadt Göttingen: Schütte, Tuchplomben passim;
ders., Funde 73–78 (dort auch zu den Tuchplomben als Möglichkeit, den Absatzraum der Tuche festzustellen);
zu zwei erhaltenen Tuchsiegeln aus dem österreichischen Raum: Kühtreiber–Marian, Tuchplomben passim;
allgemein zur Fälschung von Tuchsiegeln, zur dadurch folgenden Umgehung der Beschau und der Beschauge-
bühr sowie zur Bestrafung dieses Delikts: Kaiser, Fälschungen 738–752.
983 Allgemein zur Regulierung des Rohstoff- und Werkzeugeinkaufs durch die Zunft/Zeche bzw. zum
Folgenden vgl. unter anderem Wege, Zünfte 9–24; Zatschek, Handwerk 99; Kluge, Zünfte 291; Isenmann,
Stadt 858. Gerade der Zunftkauf spielt als Frühform des Verlagssystems eine zentrale Rolle, da sich diese kol-
lektiven Verträge nicht nur auf den Rohstoffeinkauf durch die Zunft, sondern auch auf einen kollektiven Pro-
duktionsvertrag der Zunft mit einem Kaufmann beziehen konnten; die einzelnen Handwerker der Zunft pro-
duzierten für einen bestimmten Verleger als Vertragspartner, vgl. dazu Holbach, Verlag 71–73, 173f., 191f.,
238f., und öfter; rezent auch: ders., Zünfte 23f.
984 Siehe Nr. 70 Art. 2; Zatschek, Handwerk 100.
985 Siehe Nr. 259 Art. 7; Zatschek, Handwerk 101.
986 Siehe Nr. 96 Art. 4, 6; Zatschek, Handwerk 101.
987 Siehe Nr. 182 Art. 1; Zatschek, Handwerk 101.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen