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IV. 3. Meister 153
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zechen war ebenso der gemeinschaftliche Einkauf
von Rohstoffen und Arbeitsmaterialien, der meist von den Zechmeistern organisiert und
in unterschiedlichen Formen durchgeführt wurde. In vielen Fällen erfolgte der Kauf auf
Vermittlung durch die Zeche, die Zechmeister ließen dabei auf dem gesamten Handwerk
die Verkaufszeiten der zentral in der Stadt gelagerten Waren verkünden. Der sogenannte
Zunftkauf, also die Anschaffung der benötigten Waren durch die Zeche im Gesamten,
ist ebenso im HWOB zu finden wie Bestimmungen zum Teilkauf, bei dem ein Meister
einem anderen, beim Kauf anwesenden Kollegen einen Teil der Ware zum selben Preis
überlassen musste.
Die Aufteilung der Verkaufsplätze unter den Zechmitgliedern war nicht allein Auf-
gabe der Zechen, auch die Stadt und andere Einrichtungen hatten Interesse an diesbe-
züglichen Regelungen. Es kamen unterschiedliche Möglichkeiten als Verkaufsstätten in
Frage: das Zechhaus, die eigene Werkstatt, bestimmte Märkte oder andere Stände in ge-
nau festgelegten Straßen. Auswärtige Gewerbetreibende – sogenannte Gäste – durften
ihre Waren häufig nur in ihren Herbergen bzw. Gasthäusern verkaufen bzw. diese auf
Märkten örtlich getrennt von den städtischen Meistern anbieten1073.
Zur religiös-bruderschaftlichen Seite der Meisterzechen äußern sich die Ordnungen
des HWOB hingegen nur selten. Die wenigen enthaltenen Bestimmungen lassen auf eine
zentrale Bedeutung der Begräbnisfeierlichkeiten und der Totenmemoria schließen, beson-
ders die Ordnung der St. Oswald-Bruderschaft bezieht sich in mehreren Artikeln darauf.
Als soziale, mit den Zechen in Verbindung stehende Sicherungsmaßnahmen können die
Bestimmungen zur Wiederverheiratung von Witwen und – seltener – Witwern verstan-
den werden. Oftmals wurde denjenigen Meisterschaftsanwärtern, die eine verwitwete
Meisterin heirateten, der Zugang zu den Zechen deutlich vergünstigt, beispielsweise in-
dem die Eintrittsgebühr verringert oder die Pflicht zur Meisterprüfung abgeschafft wurde.
Manche Ordnungen regelten auch das Fortführungsrecht der Meisterwitwe für die Werk-
statt ihres Mannes. Lediglich die Ordnung der Tuchscherer von 1429 legte dabei eine
Frist von einem Jahr fest, nach dem die Witwe erneut heiraten musste, andere Handwerke
ließen die Frist offen oder sprachen der Witwe jedenfalls das Fortführungsrecht zu, ohne
jedoch auf irgendwelche Einschränkungen einzugehen. In einigen Ordnungen können
auch bevorzugende Bestimmungen im Hinblick auf die Meistersöhne gefunden werden,
besonders Erleichterungen für den Erwerb der Meisterschaft in Form von ermäßigten
Zahlungen an die Zeche oder den Erlass der Meisterprüfung betreffend.
Weiters sprechen manche der untersuchten Satzungen das Problem der Störer an.
Diese agierten als Handwerker ohne Meisterrecht oder zogen vom Land in die Stadt,
um dort in den Häusern ihrer Kunden Arbeiten zu verrichten. Die wenigen im HWOB
enthaltenen diesbezüglichen Bestimmungen beziehen sich vor allem auf das Verbot, Ge-
sellen, die bei einem Störer gearbeitet haben, anzustellen.
1073 Zur Rolle von städtischen Verordnungen bezüglich fremder Gewerbetreibender als Herrschaftsinst-
rument des Rats vgl. auch Dirlmeier, Obrigkeit 443f.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen