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IV.4. Amts-, Bürger- und Treueide 155
Doch auch so manche Eide wurden einer Formularänderung unterzogen, manchmal
sogar binnen weniger Jahrzehnte. Im HWOB finden sich mehrere Doppeleintragungen,
beispielsweise im Falle des Stadtschreibereides. Der ältere Eid, der wohl um die Mitte
des 15. Jahrhunderts – jedenfalls vor 1467 – niedergeschrieben worden ist1086, definiert
nach der für Amtseide gängigen Formel, den Gehorsam und den Dienst gegenüber der
Stadt betreffend (das ir gemainer stat frumen wellet betrachten und schaden wennden nach
allem ewrm vermugen), die Agenden des Stadtschreibers damit, das im Rat Besprochene
geheim zu halten, alle Entscheidungen, die im Rat gefällt werden, niederzuschreiben, das
städtische Grundbuch zu führen und keinerlei Einträge in Stadtbücher ohne Wissen des
Bürgermeisters und des Rats durchzuführen. Der jüngere Eid, der wahrscheinlich in den
späten 1480er Jahren eingetragen worden ist1087, ergänzt diese Eidesformel noch durch
den Punkt, dass der Stadtschreiber bei Prozessen nicht für die Niederschrift sowohl der
Klage als auch der Antwort verantwortlich sein solle, sondern diese Aufgabe nur für eine
Partei übernehmen dürfe.
Ein im Gegensatz zum älteren Text reduziertes Formular enthält der am 12. Februar
1450 erlassene Beschauereid1088. Im vor diesem Datum gültigen Eid1089 wird als eine Auf-
gabe des Beschauers noch die ständige Anwesenheit beim Einbinden der beschauten Ware
durch den Ballenbinder1090 genannt. Dieser Punkt fällt im jüngeren Eid von 1450 weg.
Beim älteren Beschauereid, der jedoch noch im 16. Jahrhundert überarbeitet worden ist,
also wohl nicht an Gültigkeit verlor, ist von einer Hand aus der Mitte des 15. Jahrhun-
derts auch vermerkt, dass dieser Eid zu umfassend sei und reduziert worden ist1091. Das
restliche Formular beider Eide ist nahezu identisch. Auch für die Absamer, welche die
städtischen Marktgebühren einhoben, sind im HWOB zwei Eide überliefert. Hier findet
sich allerdings der ältere Eid im Papierbuchblock thematisch passend bei den durch die
Absamer einzuhebenden Gebühren1092, während der jüngere auf den Pergamentblättern
eingetragen wurde1093. Die Formulare und die Diktate der beiden Texte unterscheiden
sich in diesem Fall jedoch nur wenig voneinander1094.
Ein weiterer Amtseid, an dem wohl über einen längeren Zeitraum Änderungen voll-
Spitalmeistereid von Händen des 16. Jhs. ergänzt wurde, vgl. dazu Nr. 35 Anm. b; 37 Anm. b. Welche Ins-
truktionen hier gemeint sind, kann nicht eindeutig geklärt werden. Die älteste erhaltene Instruktion für den
Spitalmeister des Wiener Bürgerspitals stammt aus dem Jahre 1649, jedoch dürfte es schon eine ältere, aber
nicht mehr erhaltene gegeben haben, vgl. dazu Scheutz, Argusaugen 299f. Vielleicht können unter den bei
den Eiden genannten Instruktionen die betreffenden Artikel in der Stadtordnung von 1526 verstanden werden,
siehe FRA III/9 Nr. 76 Art. 32, 34. Edition der Spitalmeisterinstruktion von 1649 rezent: Scheutz–Weiss,
Spital 2 Nr. 146.
1086 Siehe Nr. 30.
1087 Siehe Nr. 34.
1088 Siehe Nr. 264. Zum Tätigkeitsfeld des Beschauers siehe auch unten S. 162.
1089 Siehe Nr. 5.
1090 Siehe Nr. 6. Korrespondierend zum Beschauereid wird auch hier gesagt, dass der Beschauer beim
Einbinden der Güter anwesend sein müsse. Zu den Ballenbindern siehe auch unten S. 162.
1091 Siehe Nr. 5 Anm. a.
1092 Siehe Nr. 290.
1093 Siehe Nr. 31.
1094 Beide Eide gehen darauf ein, dass die Absamer von demjenigen, der die Abgabe zahlen musste, das
Geld persönlich erhalten, alle Einnahmen in das Mauthaus tragen und sich nicht bestechen lassen sollten. Der
einzige Unterschied liegt in der Verkürzung der Formulierung: auch das platzgelt allenthalben an allen plètzen
und offen(en) steten, do man verkaufft und kaufft, trewlich innemen (Edition Nr. 31), zu: auch das platzgelt an allen
pletzen treulich innemen (Edition Nr. 290). Zur Tätigkeit der Absamer siehe auch unten S. 162.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen