Seite - 168 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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168 IV. Inhaltliche Aspekte
Eine andere Möglichkeit des Ausschanks bestand für Wiener Bürger darin, einem
Leitgeben den Eigenbauwein in Kommission zu geben. Dieser bewirtete die Gäste dann
nicht im Haus des Bürgers, der ihm den Wein überlassen hatte, sondern in einem eigenen
Lokal1202. In der oben bereits angesprochenen Ordnung des Weinausschanks von 14591203
werden diese Leitgeben auch mehrmals erwähnt. Es ist von einem Eid die Rede, in dem
die Leitgeben vor dem Rat schwören müssen, demjenigen, der ihnen den Wein übergeben
habe, das eingenommene Geld ohne irgendwelche Betrügereien zu überlassen (Art. 9).
Ein Eid der Leitgeben ist ebenso im HWOB enthalten, doch wurde dieser wohl erst im
späten 15. Jahrhundert in die Handschrift eingetragen1204. Die Ordnung führt weiter aus,
dass die Leitgeben der Bitte des Weinausschanks durch einen Bürger unbedingt Folge
leisten müssen, da bei Ungehorsam eine Strafe von einem Pfund Pfennige droht (Art. 10).
Als sichtbares Zeichen dieses Ausschanks soll nur Tannenreisig verwendet werden (Art.
16).
Auch ein anderes Organ der Ausschankorganisation in Wien trug ein grünes, weithin
sichtbares Zeichen bei sich: der Weinrufer. Laut der Ordnung von 14591205 soll dieser
ein laub in den Händen tragen, während er seiner Tätigkeit – der öffentlichen Ankündi-
gung des zum Ausschank freigegebenen Weins – nachgeht. Von diesem Laub ist zwar im
ebenfalls im HWOB überlieferten Eid des Weinrufers1206 nichts zu lesen, jedoch wird von
diesem hier – wie auch in anderen Amtseiden1207 – absolute Gleichbehandlung während
der Ausführung des Amtes eingefordert.
Dass es in den Gegenden der Stadt, in denen vermehrt der Ausschank von Wein er-
folgte, nicht immer ganz sittlich zuging, das lässt bereits das oben behandelte Verbot der
Weinmeister aus dem Jahr 1403 vermuten1208. Der Innere und der Äußere Rat handeln
hier auf Ansuchen der Bürgergemeinde hin. In einer Bittschrift an den Rat wird beklagt,
dass die Bürgerhäuser, in denen der Weinausschank stattfindet, zu Frauenhäusern ver-
kommen und Zuhälter, Kuppler sowie Spieler sich dort herumtreiben würden1209. Im
Frauenfleck vor dem Widmertor, einer Gegend vor den Mauern der Stadt, in der es zu-
mindest zwei Frauenhäuser gab1210, wird im Jahr 1482 der Ausschank von Wein und Most
in Privathäusern und Läden verboten und lediglich in öffentlichen Gasthäusern (leuthew-
sern) erlaubt. An diesen beiden Fällen ist – ebenso wie im Falle des Umgangs der Gesellen
mit Prostituierten1211 – gut zu sehen, dass die städtische Obrigkeit darauf bedacht war,
sittliche Missstände vor allem in Bezug auf Frauenhäuser und deren Gäste zu unterbin-
den.
1202 Stolz, Nahrungs- und Genußmittelpolitik 25; Perger, Weinbau 215.
1203 Siehe Nr. 285.
1204 Siehe Nr. 43.
1205 Siehe Nr. 285 Art. 18.
1206 Siehe Nr. 270.
1207 Zu diesen siehe auch oben S. 154–156.
1208 Siehe oben S. 166.
1209 Siehe Nr. 183. Die Bittschrift ist an die eigentliche Ordnung angehängt. Vgl. dazu auch Schrank,
Prostitution 1 90; Opll, Leben 2 457.
1210 Siehe dazu auch oben S. 117 Anm. 764.
1211 Siehe oben S. 117f.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Titel
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Untertitel
- (1364–1555)
- Autor
- Markus Gneiß
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 674
- Schlagwörter
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen