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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Seite - 171 -
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IV.5. Weitere Ordnungen 171 rechtliche Fragen wie Diebstahl, Streit, Hausfriedensbruch, Totschlag, Eigentumsansprü- che etc. geregelt wird1227. Banntaidinge sollten im besten Fall regelmäßig abgehalten wer- den, in den Gemeinden des Landes Österreich beispielsweise zwei- bis dreimal im Jahr1228. Sie stellten Versammlungen der Bevölkerung und des Inhabers der Herrschaft bzw. dessen Vertreters dar, bei denen wohl im Zusammenspiel aller versammelten Personen Urteile auf vorgebrachte Rechtsfragen getroffen wurden1229. Lange Zeit ging die Forschung fast einheitlich davon aus, dass Weistümer das direkte Produkt solcher Taidinge wären, also die Verschriftlichung von mündlich tradiertem Recht1230. Erst in den letzten Jahren wurde die Schriftlichkeit der Weistümer vermehrt betont: Zwar stehe außer Frage, dass es die Taiding- bzw. Dingversammlungen tatsäch- lich gegeben habe, doch seien Weistümer davon unabhängig entstandene Rechtstexte, in denen die Oralität bewusst als archaisierendes Element eingesetzt worden sei. Weis- tümer seien somit durch Kompilation und mehrere redaktionelle Überarbeitungen von herrschaftlicher Seite aus seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert entstanden, die Dar- stellungsweise der lokalen Rechte habe sich dabei vor allem seit der Zeit um 1400 geän- dert: Zunächst sei die Gültigkeit der in den Texten enthaltenen Regeln durch eine ein- malige Versammlung mit Zustimmung der versammelten Akteure begründet worden. Gegen Ende des Spätmittelalters tauche in den Weistümern vermehrt das Element der Rechtsweisung in regelmäßigen Dinggerichten bzw. Taidingen auf, auf welche die ein- zeln besprochenen Rechte zurückzuführen wären. Die Rechtsweisung – also die durch kundige Personen erfolgte Verkündigung von Regeln, nach denen gewisse Rechtsfälle der Gewohnheit nach zu entscheiden sind – sei in den Weistümern bewusst dazu eingesetzt worden, um das Alter der in den Texten enthaltenen Rechte auf eine Zeit vor deren Ver- schriftlichung zurückzuführen1231. Das Banntaiding des Unteren Werds passt eindeutig in das oben beschriebene Schema der zunehmenden Betonung der Mündlichkeit und der alten Gewohnheit, des alten her- kommens. Schon der erste Artikel hebt unmissverständlich hervor, dass gewisse befragte 1227 Siehe Nr. 297. Ähnliche Inhalte finden sich im Banntaiding des Oberen Werds, vgl. Weisthümer NÖ 1, ed. Winter Nr. 125. 1228 Czeike, Lexikon Wien 1 248. Teuscher, Recht 46f., 89–91, gibt zu bedenken, dass die Regelmä- ßigkeit von solchen Versammlungen (von ihm als „Dinggerichte“ bezeichnet) regional sehr unterschiedlich war. In manchen Herrschaften erfolgte über Jahre hinweg keine Einberufung von Dinggerichten bzw. Taidingen, in anderen nachweislich mehrmals im Jahr, jedoch lassen sie sich im letztgenannten Fall dann meist kaum von nach Bedarf einberufenen, kleineren Sitzungen des lokalen Gerichts unterscheiden. 1229 Feigl, Rechtsweisung 431–437, beschreibt den Ablauf solcher Versammlungen detailliert, siehe dazu auch ders., Grundherrschaft 158–163; vgl. ebenso Teuscher, Recht 91–95, der auch hier wieder regio- nale Differenzierungen hervorhebt. Für einen verstärkten Einfluss der herrschaftlichen Seite in den Ergebnissen der Taidinge plädiert unter anderem Rösener, Dinggenossenschaft 73–75. 1230 Einen Überblick über die umfangreiche, in die erste Hälfte des 19. Jhs. zurückgehende Weistums- forschung bietet Teuscher, Recht 15–26. Der Editor der Niederösterreichischen Weistümer, Gustav Winter, stellt auch die von ihm edierten Texte in die Tradition des „alten deutschen Rechtes“ und sieht diese – sich auf Grimm berufend – im Einklang mit der damals vorherrschenden Forschungsmeinung als „herrliches Zeugnis der edlen und freien Art unseres eingebornen Rechts“, vgl. dazu Winter, Banntaidingwesen 234f. Auch Feigl, Rechtsweisung passim, steht der prinzipiellen Mündlichkeit von Weistümern in keinster Weise skeptisch ge- genüber, wenngleich er treffend zwischen gewohnheitsrechtlichen Inhalten und im Zuge des Taidings neu ent- standenen Rechten unterscheidet. Siehe zur Sammlungspraxis der Weistumsforschung im 19. Jh. auch Ottner, Praxis passim. 1231 Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Simon Teuscher, unter anderem Teuscher, Enquiries 250f.; ders., Erzähltes Recht 206–255; ders., Rights 132–165; ders., Mediengeschichte 84–88.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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