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34 Anschauung.
nur die Art, „wie wir von Gegenständen affiziert werden" (Krit. d. rein.
S. 77, 88). Die A. ist „diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein
kann", die Vorstellung, „so wie sie unmittelbar von der Gegenwart des Gegen-
standes abhängen würde", eine unmittelbare und einzelne Vorstellung, durch
die der Gegenstand der Erkenntnis gegeben wird (Krit d. r. Vern., S.
§ 8; Kleine Schriften II2, 91: Über d. Fortschr. d. Metaphys.). Die
A. ist nicht, wie die Leibnizianer meinen, eine „verworrene" (s. d.)
sondern vom Denken, vom Begriff ganz verschieden und kann für sich allein
keine Erkenntnis verschaffen, so unentbehrlich sie für diese ist. „Der Ver-
stand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne vermögen nichts zu
Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen." „Gedanken
ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind" (Krit. d. r.
S. 77). „Empirisch" ist die A., wenn „Empfindung darin enthalten ist" oder
wenn sie sich „auf den Gegenstand durch Empfindung bezieht" (1. c. S. 48, 76).
Stoff und Form (s. d.) der A. sind zu unterscheiden; ersterer ist die Empfin-
dungsmannigfaltigkeit, letztere die räumliche und zeitliche Ordnung derselben.
Die „reine" A. ist die Anschauungsform (s. d.), die „a priori, auch ohne einen
wirklichen Gegenstand der Sinne oder Empfindung als eine bloße Form der
Sinnlichkeit im stattfindet" (1. c. S. 49, 76). Die Grundbegriffe des
Erkennens (Kategorien, s. d.) haben nur in ihrer Anwendung auf die A. Gel-
tung und Sinn. — Rein idealistisch faßt die A. FICHTE auf, als un-
bewußte Produktion seitens des Ich (s. d.) infolge eines „Anstoßes" auf dessen
ins Unendliche gehende Tätigkeit, die nach getrieben wird und dann zu-
rückwirkt (Grundleg. der gesamten 1802, S. 364). Die
ist ein „absolutes Zusammenfassen und Übersehen eines vom
Vorstellen" (WW. I 2, S. 7). — Entgegen Kant betont SCHOPENHAUER die
der A., der „primären Vorstellung". Sie ist schon „Erkennt-
nis der Ursache aus der Wirkung", enthält ein unbewußtes Urteil (s. Objekt);
ähnlich LIEBMANN U. a. — WUNDT nennt A. eine
Vorstellung, sich auf einen wirklichen Gegenstand bezieht (Grundz. d. phys.
Die „reine" A. ist Anschauung, wir uns einen beliebigen,
übrigens völlig homogenen Inhalt vorstellen; zugleich ist sie Begriff, sich
ihr der Gedanke verbindet, daß statt des zur Vergegenwärtigung der Form
gewählten Inhalts ein jeder anderer gewählt werden könne (Logik
S. 480). Nach H. COHEN ist die A. Erkenntnis, sondern nur Erkenntnis-
mittel (D. Prinzip d. Infinitesimalmethode, 1882, S. 18 ff.); seine Erkenntnislehre
geht später nicht wie die Kants der A., sondern vom Denken (s. d.) aus.
Nach HUSSERL gibt es „kategoriale" Anschauungen allgemeiner Art mit eigenem
Inhalt, die logischen Formen entsprechen (Log. Untersuchungen, 1900 f.).
HÖFLER versteht unter A. das Auffassen der „Gestalt" (vgl.
Vgl. Zur Geschichte u. Theorie d. Anschauungsbegriffs, 1901; K.
A., Begriff u. Wahrheit, 1906; W.
f. d. gesamte Psychol. Bd. 18, 1910; Intuition,
Beilage der Phüos. Gesellsch. zu Wien, 1911, S. 43 D.
1911, S. f.; NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten
Wissensch., 1910, S. 277 (in der A. wird letzte wechselseitige Durchdringung
aller reinen Denkleistungen antizipiert). Vgl. Intuition, Anschauungsformen,
Konstruktion, Synthese, Wahrnehmung, Mathematik.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften