Seite - 47 - in Handwörterbuch der Philosophie
Bild der Seite - 47 -
Text der Seite - 47 -
Apperzeption.
Eine neue Bedeutung bekommt das Wort „A." bei HERBART. Er
unter A. die Aufnahme und Beeinflussung von Vorstellungen durch
besonders durch Gruppen anderer („Apperzeptionsmassen"), die mit jenen ver-
schmelzen. Neue Vorstellungen werden apperzipiert (angeeignet), indem
gleichartige Vorstellungen erwachen, mit jenen verschmelzen und sie in ihre
bindungen einführen" (Psychol. als Wissenschaft II, § 125; Lehrb. d.
S. 32 f.). Auf der A. beruhet alles Verstehen, Erkennen, Lernen, alles in Be-
ziehung Setzen von Vorstellungen zum erworbenen Schatze an Einsichten,
alle Deutung, alles Begreifen. Eine Fortbildung erfährt die Herbartsche A.-
Lehre durch STEINTHAL, welcher identifizierende, subsumierende,
sierende, disharmonisierende, auch „schöpferische" A. unterscheidet (Einleit.
d. Psychol. u. Sprachwissenschaft2, 1881). denken über die A. LAZA-
RUS, B. nach welchem die Apperzeptionsmasse als „erregte
position" wirkt (Vierteljahrsschrift f. wiss. Philos. X; vgl. Wiedererkennen),
VAIHINGER (D. Philos. des Als ob, 1911), JERUSALEM, der auch von
„fundamentalen A." spricht (s. den nächsten Artikel), JODL, STOUT,
(Philos. als Denken der gemäß dem Prinzip des kleinsten
1876; 2. A. 1903) u. a. Vgl. WILLMANN, Psychol. 1904; HAGEMANN,
Psychol., 8. A. 1910.
Eine weitere erreicht der bei WUNDT.
A. ist der einzelne Vorgang, durch den ein psychischer Inhalt zu klarer
fassung gebracht wird, die Erhebung eines Inhalts in den „Blickpunkt des
Bewußtseins" (durch die Aufmerksamkeit, s. d.), während das bloß
pierte" das „Blickfeld" des Bewußtseins ausmacht (Grundriß d. Psychol.5,
S. 249 ff.). Die A. ist der Vorgang der Bewußtseinssteigerung selbst, nicht
ein gesondertes physiologisch entspricht ihr ein
prozeß, durch den das Klarwerden anderer als der fixierten Eindrücke ver-
hindert wird; es gibt ein (vielleicht im Stirnhirn lokalisiertes)
zentrum" (Grdz. d. phys. Psychol. 1903 ff., I5, 320 ff.). Unvorbereitet
passiv erfolgt die A., wenn der neue Inhalt sich plötzlich und ohne vor-
bereitende Gefühlswirkung der Aufmerksamkeit aufdrängt; vorbereitet oder
wenn die Aufmerksamkeit schon vor dem Eintritt des neuen Inhalts auf ihn
gespannt ist, wobei ein Erwartungsgefühl besteht, das schließlich durch ein
Tätigkeitsgefühl abgelöst wird (1. c. S. 260). Die passive A. ist eine Trieb-
handlung, die aktive eine Willenshandlung, die aus einer Mehrheit von Motiven
hervorgeht. Die aktive A. liegt aller geistigen Tätigkeit zugrunde (vgl. System
d. Philos. II3, 1907, S. 140 ff.). A. ist die von allen Inhaltsbestimmungen
unabhängig gedachte A., der reine Wille (s. d.); sie ist in der Erfahrung nicht
anzutreffen, wohl aber die Bedingung zur Erfahrung, und als eine solche Tätig-
keit ist sie das, was KANT die transzendentale A. nennt (1. c. S. 377). Ähnlich
wie WUNDT bestimmen die A. KÜLPE, K. LANGE (Über
(Philos. Studien I, 149 ff.), HELLPACH, G. VILLA U. a. Nach TH. LIPPS ist
die A. die „Heraushebung des apperzipierten Gegenstandes aus dem allgemeinen
psychischen Lebenszusammenhang". Objektiv bedingt ist die A. als
rung" des Gegenstandes und Erfüllung des Anspruches derselben (Leitfaden
Psychol. S. 83 ff.). Die A. ist die Grundlage der Einheiten (s. d.) und Rela-
tionen (s. d.). Eine „unbewußte" psychische Tätigkeit ist die A. nach E. VON
HARTMANN (Moderne Psychologie 1901, S. 140). Vgl. VOLKMANN, Lehrbuch
d. 1894—94; JODL, Lehrb. d. Psychol. 1909, 86 N. ACH, Die
zurück zum
Buch Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften