Seite - 50 - in Handwörterbuch der Philosophie
Bild der Seite - 50 -
Text der Seite - 50 -
A priori.
unabhängig von aller Erfahrung, nicht aus ihr stammend, nicht durch sie ge-
geben, nicht auf ihr beruhend oder auf sie sich stützend, nicht aus ihr ab-
strahiert oder durch Verallgemeinerung von Erfahrungen gewonnen (also nicht
empirisch, nicht „a im vornhinein gewiß, streng not-
wendig, allgemeingültig, Erfahrung und Erkenntnis bedingend, ermöglichend,
begründend, zu den Voraussetzungen der Erfahrung gehörend, für jede mög-
liche Erfahrung gültig. Mit dem Angeborensein (s. d.) hat das Apriorische der
Erkenntnis nichts zu tun; es geht nicht zeitlich, sondern logisch (objek-
tiven, allgemeinen, insbesondere der methodischen) Erfahrung voran (als deren
konstituierende, grundlegende Bedingung), d. h. es ist nicht psychologisch-sub-
sondern „transzendental" (s. d.) und überindividuell, objektiv (d. h. für
alles Erfahrbare oder Denkbare) gültig. Apriorisch ist die reine Form (s. d.)
der Erfahrung und des Denkens, a. sind die Grundsätze (s. d.), die sich auf
das Gesetzliche in den Anschauungsformen (Raum und Zeit) und den Kate-
gorien (s. d.), den Grundbegriffen von Substanz, Kausalität usw.,
apriorisch sind auch die logischen Denkgesetze (s. d). Die ganze
beruht formal auf apriorischen Voraussetzungen und Postulaten (s. d.), die erst
einheitlichen, allgemeingültigen Zusammenhang Erfahrungsinhalte herstellen
und dem „reinen Erkenntniswillen" entspringen, der die apriorisch gültigen
Zusammenhänge, Synthesen (s. d.) an (nicht aus) der Erfahrung herstellt und
zum Bewußtsein bringt, wobei die des Apriorischen sich nach
dem Material der Erfahrung richtet und im Laufe der Entwicklung der Wissen-
schaft sich entsprechend modifiziert. Apriorisch sind, allgemein, alle
welche die Gesetzlichkeit des erkennenden Bewußtseins und der Erkenntnis-
funktionen formulieren oder notwendige und allgemeingültige Bedingungen der
Erkenntnis aussprechen. Apriorisch sind also die unabweislichen Mittel zur
Verwirklichung des Erkenntnis willens, dessen ideales»
Ziel die apriorischen Formen bedingt, gefordert sind. Erarbeitet
werden sie durch Besinnung auf die Erfordernisse streng objektiver
Die Erkenntnistheorie findet sie durch Rückgang auf die Voraussetzungen und
Bedingungen solcher Erkenntnis, also auf logisch-analytischem Wege, nicht
durch bloße psychologische Beobachtung (vgl. Erkenntnistheorie).
Die älteste Bedeutung des „A priori" ist die der Erkenntnis von etwas aus
seinem Grunde oder seiner Ursache. So ist nach ARISTOTELES das Allgemeine
(s. d.) das von Natur Frühere aber in Beziehung auf das Er-
kennen das Spätere ngbg oder Anal. post. I 2, 71 b
Metaphys. V 11, 1018 b 32), und es ist zugleich der Grund des Einzelnen,
aus ihm erkannt wird. BOETHIUS unterscheidet „per priora" und
posteriora". Bei ALBERT SACHSEN findet sich die Bezeichnung
„a priori" für einen Beweis, der von den Ursachen zu den Wirkungen
(„demonstratio quaedam est procedens ex causis ad effectum et vocatur demon-
stratio a priori"), im zur „demonstratio a posteriori", die von
Wirkungen zu den Ursachen geht (PRANTL, Gesch. d. Logik 1855, vgL
SUAREZ, XXX, 7, 3). Ähnlich aber schon HERVAEUS
(gest. 1323).
Die begriffliche im Gegensatz zur empirischen Erkenntnis bezeichnet
priori" bei LEIBNIZ („connaltre a priori"; a posteriori des
CHR. („si veritas a priori eruitur, ex notionibus . ., per
zurück zum
Buch Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften