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A priori. 51
„quod experiendo addiscimus, a posteriori cognoscere dicimur";
Psychol. § 5, 434 ff., 460 f.), BAUMGARTEN, HUME (Enquir. IV, 1) u. a.
Die erkenntnistheoretische Bedeutung des Apriorischen, von der Erfahrung
schlechthin Unabhängigen, aus reiner Anschauung oder reinem Denken Stam-
menden, die Voraussetzung der Erkenntnis Bildenden kennen schon PLATON
(vgl. NATORP, Ideenlehre, S. 138 ff.), DESCARTES (vgl. naturale",
Wahrheit), HERBERT VON CHERBURY (vgl. Wahrheit), GALILEI (vgl. Mathe-
matik) u. a., LEIBNIZ (vgl. Wahrheit), der von „premiers a priori" spricht,
welche aus der Natur des Intellekts, bei Gelegenheit der Erfahrung, aber nicht
aus ihr entspringen absolut denknotwendig sind. Nach LOCKE und HUME
gelten nur die Denkgesetze und die Axiome a priori (vgl.
Empirismus, Relation). Die Schule nimmt selbstgewisse Wahr-
heiten an.
Der eigentliche Begründer der Aprioritätslehre ist aber KANT. Erfahrung
(s. d.) sagt uns zwar, was da ist, aber nicht, „daß es notwendigerweise so und nicht
anders sein müsse", und sie ist daher nicht streng allgemeingültig. Wahrhaft
allgemeine Erkenntnisse, die zugleich „den Charakter der innern Notwendig-
keit haben", sind von der Erfahrung unabhängig, für sich selbst klar und ge-
wiß; „man nennt sie daher Erkenntnisse a priori, da im Gegenteil das, was
lediglich von der Erfahrung erborgt ist . . ., nur a posteriori oder empirisch
erkannt wird". Es zeigt sich nun, „daß selbst unter unsere Erfahrungen sich
Erkenntnisse mengen, die ihren Ursprung a priori haben müssen und die viel-
leicht nur dazu dienen, um unseren Vorstellungen der Sinne Zusammenhang
zu verschaffen. Denn, wenn man aus den ersteren auch alles wegschafft, was
den Sinnen angehört, so bleiben dennoch gewisse ursprüngliche Begriffe und
aus ihnen erzeugte Urteile übrig, die gänzlich a priori, unabhängig von der
Erfahrung entstanden sein müssen, weil sie machen, daß man von den Gegen-
ständen, die den Sinnen erscheinen, mehr sagen kann, wenigstens es sagen zu
können glaubt, als bloße Erfahrung lehren würde, und daß Behauptungen
wahre Allgemeinheit und strenge Notwendigkeit enthalten, dergleichen die
bloß empirische Erkenntnis nicht liefern kann". Der Zeit nach geht keine
Erkenntnis der Erfahrung vorher und mit dieser fängt alle an. „Wenn aber gleich
alle unsere Erkenntnis der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch
nicht eben alle aus der Erfahrung." Was unser Erkenntnisvermögen „aus sich
selbst ist apriorisch. „Rein apriorisch" ist eine Erkenntnis, der gar
Empirisches beigemischt ist; „schlechterdings a priori" ist ein Satz, der
nur aus einem apriorischen Satz abgeleitet ist. Die Kennzeichen einer Erkennt-
nis a priori sind „Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit", „Bewußtsein ihrer
Notwendigkeit" (Krit. d. rein. Vernunft, S. Prolegomena, § 6). Ent-
gegen dem Rationalismus (s. d.) lehrt KANT : Apriorische Erkenntnis (s. d.) gibt
es nur von „Gegenständen möglicher Erfahrung", von Erscheinungen (s. d.),
vom Formalen derselben, d. h. ihrer substantiellen, kausalen
usw. Gesetzlichkeit; die materiellen Bestimmtheiten, Einzelheiten der Phänomene
können nur empirisch erkannt werden. „Subjektiv" oder „ideell" ist das
Apriorische nur, sofern es in der Gesetzlichkeit des erkennenden Bewußtseins
begründet ist; es ist aber nicht im psychologischen Sinne subjektiv, sondern
gilt objektiv (s. d.), für alle Erfahrungsobjekte. Insofern es objektive Erfahrung
ermöglicht, ist es „transzendental" (s. d.). Der Mathematik (s. d.), reinen
Naturwissenschaft (s. d.) und Metaphysik (s. d.) liegen „synthetische Urteile
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften