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72 Aufmerksamkeit.
die Klarwerdung eines Inhalts, entspricht und entspringt. Je nachdem die A.
durch starke Reize, gefühlsbetonte Eindrücke oder Vorstellungen triebmäßig,
reflexartig ausgelöst oder aber durch den schon im Vorhinein eingestellten,
erwartenden, auswählenden Willen bedingt ist, heißt sie unwillkürliche (passive)
oder willkürliche (aktive) A., wobei aber zu betonen ist, daß ein
aller A. enthalten ist; ebenso gehören dazu Gefühle der Spannung und Lösung
sowie Spannungsempfindungen. Die A. ist ein Zustand erhöhter Aktivität von
Sinnesorganen und Hirnzentren verbunden mit Hemmung anderer
(vgl. über die Hemmungs-, Unterstützungs-, Bahnungstheorieen bei HERBART,
WUNDT, STOUT, G. E. MÜLLER, PILZECKER U. a.; EBBINGHAUS U. a.:
E. DÜRR, Die Lehre von der A., 1908, S. 148 ff.). Durch die A. können auch
schwache Eindrücke zu klarer, scharfer Erfassung kommen, je nach dem Wert,
den diese Eindrücke für das Subjekt haben, nach dem Interesse (s. d.) usw.,
welches die Aufmerksamkeit oft bedingt. In einem Akte können nur wenige
Eindrücke aufmerksam erfaßt werden. Es besteht ein „periodisches Schwanken"
der A., ein Nachlassen und wieder Anspannen derselben. Die Wirkungen
der A. auf das Bewußtsein (s. d.) sind fundamentaler Art; die A. wirkt „se-
lektiv", sie führt zur Steigerung bestimmter Bewußtseinsinhalte und zur
drängung, Verdunkelung Hemmung anderer, wodurch sie biologisch und psycho-
logisch zweckmäßig (auch ökonomisch, kraftsparend) wirkt und höchste Lei-
stungen ermöglicht, sei es in der Denkarbeit, sei es im Praktischen. Die A.
ist eine Bedingung der Abstraktion, Analyse, Vergleichung, Beziehung, kurz
Denkens und Erkennens, auch ein günstiger Faktor für das
Merken, Lernen, Wiedererkennen usw. (vgl. Enge).
Von den meisten Psychologen wird die A. als besondere Funktion der
Psyche, als besondere Aktivität derselben angesehen, vielfach geradezu als
Willensfunktion. So von AUGUSTINUS, DESCARTES, LOCKE, LEIBNIZ (S. Apper-
zeption, Bewußtsein), CHR. WOLFF (Psychol. empirica § 237) u. a. PLATNER
unterscheidet mit anderen zwischen passiver und aktiver A. Als Form der Aktivität
der Seele faßt die A., deren Bedeutung er betont, BONNET auf (Essai analyt.
S. 118 ff.), ferner LAROMIGUIERE („concentration de de sur un
objet", de philos. 1815 f.; 2. 1820, I, 215 u. ff.), M. DE
nach dem sie eine Willensfunktion ist (Oeuvres 1859, II),
BROWN U. a., ferner KANT („Bestreben, sich seiner Vorstellungen bewußt zu
werden", Anthropol. I, § 3), FRIES („willkürliche innere Wahrnehmung unserer
Tätigkeiten"), SCHOPENHAUER, BENEKE, FORTLAGE, LOTZE, FECHNER, E.
HARTMANN, HÖFFDING S. 4. A. 1908), K.
(Archiv f. IV, 1898), EHRENFELS , KREIBIG („ein darauf
gerichtet ist, einen äußern Eindruck oder eine reproduzierte Vorstellung, bzw.
bestimmte Einzelheiten darin klar und deutlich bewußt zu machen", Die
als Willenserscheinung, 1900, S. 2 ff.), JODL („Fixierung des Bewußtseins auf
einen bestimmten Inhalt"), R. RENOUVIER, FOUILLEE, BERGSON
et S. 102 ff.), J. WARD, STOUT, BALDWIN, TITCHENER U.
Nach WUNDT ist die A. die „Gesamtheit der mit der Apperzeption von
verbundenen subjektiven Vorgänge", der durch
Gefühle charakterisierte Zustand, der die klare Auffassung eines psychischen
Inhalts begleitet d. Psychol.5, ff., S. 249). Die A. ist ein
„innerer Willensprozeß", ein Trieb- oder ein Willkürakt. Die Adaption der
an den Reiz bekundet sich in Spannungsempfindungen (Grdz. d. phys.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften