Seite - 389 - in Handwörterbuch der Philosophie
Bild der Seite - 389 -
Text der Seite - 389 -
Materie. 389
IV, 7, 9; V, 4; VI, 2; VII, 3, 10; VIII, 6, 8, 9; Phys. I, 9; II, 9). Die
Stoiker vereinigen im Begriffe des (s. d.) die Ideen von Kraft und
Stoff. . Der letztere ist das Passive am Seienden xr)v
Diogen. Laert. VIII, 134); er ist formlos („materia iacet iners, res
ad SENECA, Epist. 65, 2), im Ganzen von konstanter Menge
(ovxe nXelcov kXdxxcov Diog. Laert, VIII, 150; Stobaeus, Ecloga I,
322 f.). Die Konstanz der M. lehrt auch der Epikureer LUCREZ (De rer.
natura II, 294 ff.). Bei PHILON und PLOTIN wird die M. als formloses, pas-
sives, totes, unreines Substrat der Sinnendinge zu etwas Bösem; sie ist nach
PLOTIN ein Abbild des „intelligiblen" Stoffes in der Idealwelt, die letzte,
schwächste „Emanation" (s. d.) aus dem „Einen" (Ennead. I, 8, 7; II, 4,
IV, 4, 4).
Im Gegensatz zu ARISTOTELES lehrt das Juden- und Christentum die Er-
schaffung der M. durch Gott (s. Schöpfung). Die Scholastiker fassen den
Begriff der M. meist ziemlich aristotelisch auf, als das der Potenz nach Seiende
(„quod est in potentia"), die Potenz, aus der alles wird. Von der Urmaterie
(„materia prima"), dem Substrat aller Veränderungen in der Natur, wird die
schon geformte M. („m. „ultima", „signata") unterschieden, von der
wahrnehmbaren („m. sensibüis") die nur denkbare vgl.
THOMAS, Sum. theol. I, 85, 1; I, 12, 11 c; 72, 2; Contra gent. I, 21, 65;
I, 17; II, 30; II, 75, u. a.). Wie GEBIROL (Avicebron) schreibt DUNS
SCOTUS allen endlichen (auch geistigen) Wesen eine „Materie" zu. Die form-
lose Urmaterie („m. hat Gott geschaffen, sie die „Wurzel"
der Dinge (De rer. princip. qu. 8, 3 f.).
In der Renaissance bereitet sich ein neuer Begriff der M. vor. So ist nach
TELESIUS die M. („corporea die passive, träge Substanz, deren Menge
konstant bleibt augeri potest" (De rerum natura,
1586, I, 4 ff.). Nach GIORDANO BRUNO ist die M. nicht wirkungslos, der
Form nicht schroff entgegengesetzt, sondern aus ihr selbst entfalten sich alle
Formen. Nur die Formen wechseln, die M. aber beharrt ewig als die wahr-
haft seiende Substanz (De la causa Die Einheit und Konstanz der
M. lehren ferner GALILEI, BACON, DESCARTES, der sie rein geometrisch, als
ausgedehnte Substanz ohne innere Kräfte bestimmt und sie schroff dem Geiste
gegenüberstellt (Princip. philos. I, 63; II, 4, 22 f.; vgl. Dualismus, Körper).
Hingegen faßt LEIBNIZ die M. dynamisch auf (vgl. Substanz, Körper). Die
M. den Raum durch Widerstandskräfte („materia prima") der „Monaden"
(s. d,), deren Erscheinung („verworrene Vorstellung") die Körper darstellen;
die Monaden, die einfachen Wesen selbst, sind an sich immateriell, vor-
stellende Wesen, „metaphysische Punkte" (Philos. Hauptschriften I, S. 265 ff.;
Phüos. Werke, hrsg. von Gerhardt 248 ff.; 18). — Bei BERKELEY (Prin-
ciples XVII, ff.) wird die M. zu etwas, das gar nicht existiert
und dessen Annahme ganz zwecklos ist; die Körper sind nur Komplexe von
Empfindungen, existieren als solche nur im Bewußtsein als (wirkliche oder
mögliche) Wahrnehmungsinhalte. — Daß das Wesen der Materie unbekannt
ist, betonen LOCKE (vgl. Essay concern. hum. unterstand. K. 10; IV,
K. 10), HUME (vgl. IV, sct. 3; s. Substanz), D'ALEMBERT, MAU-
PERTUIS, CONDILLAC, BONNET U. a.
Auch KANT bezeichnet das, was den materiellen Erscheinungen zugrunde-
liegt (das „Ding an sich") als unerkennbar. Materie gibt es nur als „Er-
zurück zum
Buch Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften