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602 Selbstbewußtsein.
aller Erkenntnis (s. Identität). Daß ich bin, weiß ich, um mich
zu erkennen, bedarf es der Anschauung, und diese läßt mein Ich nur
als Erscheinung erfassen. „Das Bewußtsein seiner selbst ist also noch
lange nicht ein Erkenntnis seiner selbst" (Krit. d. rein. Vern., S. 437 f.,
675 f.; Prolegomena, § 46; vgl. Paralogismen). Vgl. FRIES, Neue Kritik I,
120 f.; Psych. Anthropol., § REINHOLD, Versuch einer neuen Theorie,
1789, III, 317 ff.; B. CRISTIANSEN, Vom S.,
Aus der Reflexion des Ich (s. d.) auf sein Tun leitet das S. FICHTE ab
(vgl. WW. 247, 488 ff.). Die Identität von Sein und Wissen im Ich lehrt
SCHELLING, nach welchem das S. der Akt ist, durch den sich das Denkende
zum Objekt wird (System des transzendental. Idealismus, S. 28 ff.).
Die Quelle des S. ist das Wollen: „Im absoluten Wollen aber wird der
Geist seiner selbst unmittelbar inne, oder er hat eine intellektuelle An-
schauung seiner (WW. I 1, 401; vgl. Subjekt). Nach HEGEL ist
S. die Wahrheit und der Grund des Bewußtseins, aus dem es sich dialektisch
Es ist lebendig im Urteilen des Ich über sich selbst (PhänomenoL;
Enzyklop., § Anthropol., 1840, § K.ROSENKRANZ,
Psychol., 1837, S. 289 ff.). — Nach SCHOPENHAUER erkennt das Subjekt sich
nicht als solches, sondern den Willen als Kern seines es erkennt sich
„nur als ein Wollendes, nicht aber als ein Erkennendes". Denn das vor-
stellende Ich kann als Korrelat und Bedingung aller Vorstellungen nie selbst
oder Objekt werden als Wille u. VorstelL, IL Bd., K. 19,
22; Parerga II, § 32, 65; Vierfache Wurzel, § 41 f.).
Auf „Widersprüche" im Begriff des unmittelbaren Selbstbewußtseins
weist HERBART hin: „Das Ich stellt vor sich, d. h. sein Ich, d. h. sein
Sichvorstellen, d. h. sein usw. Dies läuft ins
Unendliche." So wird das Ich zu einem Vorstellen ohne endgültig
gestelltes (Psychol., § 132 ff.; Lehrb. zur Einleit., S. 189 ff.). Das S. ist ein
Entwicklungsprodukt, beruht auf der Apperzeption einer Vorstellungsgruppe
(s. Ich). VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol. II4, 1894/95, 217) u. a.
Auch nach BENEKE ist das S. nichts Ursprüngliches (Lehrb. d. Psychol.8,
§ ff.; System d. Metaphys., 1840, S. 171 ff.). Nach LOTZE ist es nur
theoretische Ausdeutung des „Selbstgefühls" (Mikrok. I8, f.; vgl. Medizin.
Psychol., 1852, S. 493
Als Produkt einer Unterscheidung und Entwicklung betrachtet das S.
ULRICI (Leib u. Seele, 1868, S. 57 ff.), JODL (Lehrb. der Psychol.
1909, 240 ff.), HÖFFDING (Psychol.2, 1893, S. 182 ff.), CESCA (Vierteljahrs-
für wissenschaftl. Philos., 11. Bd.), HAGEMANN (Psychol.8, 1911),
GUTBERLET (Logik u. S. f.; Psychol., S. 162 ff.: die
Seele weiß erst von ihrem Akte, dann erfaßt sie sich als Ich und erst die
„Selbsterkenntnis" dringt in das Wesen der Seele ein) u. a. Nach W. JERU-
gelangen die psychischen Vorgänge zum Selbstbewußtsein erst dadurch,
sie beurteilt werden (Die Urteilsfunktion, 1895, S. 167; vgl. Lehrb. d.
1907; vgl. DESSOIR, Das 1896, S. 75 ff. u. a.). Nach
WUNDT ist das S. ein Erzeugnis, nicht die Grundlage der psychischen Pro-
zesse, in deren Stetigkeit es gründet. Zunächst ist das Ich ein Mischprodukt
äußerer Wahrnehmungen (Leib) und innerer Erlebnisse, später ein Vorstellungs-
komplex samt Gefühlen und Affekten, endlich zieht sich das S. völlig auf den
Willen zurück, in dem es von keimhaft angelegt ist, aber erst durch
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften