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commune — Sensualismus. 605
commune: gemeinsames Empfindungsorgan,
Vgl. Gemeinsinn.
Sensualismus (sensus, Sinn, Empfindung): Sinnlichkeitsstandpunkt,
Ableitung aller Erkenntnis aus der es Wahrnehmung, aller Vorstellungen
und Begriffe aus Empfindungen oder sinnlichen Erlebnissen, Beschränkung
aller Erkenntnis auf Verknüpfung von Sinnesdaten, Reduzierung der Objekte
(s. d.) auf Komplexe von Empfindungen (s. d.), alles Geschehens auf Verände-
rungen in den Relationen von sinnlichen Erlebnissen. Die sensualistische
Psychologie betrachtet alles Seelische als Entwicklungsprodukt von (gefühls-
betonten) Empfindungen und eine eigene Aktivität des Geistes, des
Denkens und Wollens. Die sensualistische kann eine
Aktivität des Denkens zugeben, beschränkt sie aber auf die Verbindung
und Ordnung sinnlich gegebener Daten und bestreitet alle apriorisch gültige
Gesetzmäßigkeit und selbständige Produktion des Denkens. — Der prak-
tische S. erblickt das höchste Gut, den absoluten Wert in der Sinneslust, im
sinnlichen Genuß (s. Hedonismus).
Als eine „tabula (s. d.), d. h. als der Sinneswahrnehmung noch
gänzlich leere, erst durch jene sich mit Inhalt erfüllende Fläche wird die Seele
von den betrachtet. Ausgesprochene Sensualisten sind die
Epikureer, nach welchen alle Begriffe sinnlichen Ursprung haben
ydg Xoyog xcov Diogen. Laert. X, 32). Dies lehrt
auch CAMPANELLA (De sensu rerum II, 22), ferner HOBBES (Leviathan I, 1),
GASSENDI, MONTAIGNE (Essais II, 12), P. BROWNE U. a. LOCKE betont:
„Nihil est in intellectu, quod non prius in er bezeichnet die Seele
als „white auf das erst die Erfahrung (s. d.) Eindrücke verzeichnet,
nimmt aber neben der „Sensation" noch die „reflexion" (s. d.), die innere
Wahrnehmung als Erkenntnisquelle an und schreibt dem Geiste die Fähig-
keit der Verknüpfung von Vorstellungen zu neuen Gebilden zu (Essay
concern. hum. understand. II, K. 1, § 2 ff.; gegen Locke wendet sich
LEIBNIZ; S. Intellekt). Aus äußeren und inneren Erlebnissen
pressions") leitet alle reale Erkenntnis HUME ab; der Geist hat nur
die Kraft, diese Eindrücke und die Vorstellungen, die deren
sind, zu verbinden, umzustellen und zu mischen (Enquiry, sct. 2). Den
psychologischen S. begründet systematisch CONDILLAC, nach welchem alle
psychischen Funktionen aus der Empfindung (s. d.) hervorgehen; diese selbst
der Reihe nach Aufmerksamkeit, Vergleichen, Urteil, Reflexion, sie schließt
alle psychischen Fähigkeiten ein (,,La Sensation enveloppe toutes les
de Farne", des sensations, I, K. 7, § 2; Extrait S. 35 ff.).
An dem Beispiel einer allmählich durch Eindrücke von außen beseelten Statue
zeigt Condillac, wie das Seelenleben sich entfaltet (vgl. BONNET, Essai analyt.
II, 9 ff.). Sensualisten sind ferner HOLBACH, HELVETIUS, LAMETTRIE, CABANIS,
ROMAGNOSI u. a. Nach L. KNAPP ist alles Denken nur „Vorstellen der empfun-
denen Sinnlichkeit" (System d. Rechtsphilos., 1857, S. 13 ff.). Ähnlich FEUERBACH,
MOLESCHOTT, CZOLBE (Neue des SensuaL, 1855, S. 4 Als denk-öko-
nomische Ordnung von Erlebnissen betrachten die Erkenntnis MACH, PETZOLDT
a. (s. Element, Empfindung). Als Element alles Seelischen betrachten die
Empfindung SPENCER, TH. ZIEHEN, MÜNSTERBERG U. a. (s.
psychologie, Intellektualismus). Vgl. R. L. DABNEY, The sensualistic philos.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften