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612 Sittlichkeit.
Wert der Gesinnung betont (vgl. NATORP, Die Ethika des D., 1893). — Nach
SOKRATES ist das Gute eins mit dem Schönen und wahrhaft Nützlichen
(XENOPHON, IV, 68; PLATON, Protagor. 333 D, 353 C f.). Die
Tugend ist lehrbar; das Gute wahrhaft einsieht, der tut es auch (Xenoph.,
III, 9, 4L; IV, 6; Platon, Protagor. 329 f.; Apolog. 25 C).
die Kyniker, nach welchen das tugendhafte Leben Endziel ist und zur
Glückseligkeit ausreicht (Diogen. Laert. VI, 104 f.). — Den Hedonismus d.)
vertreten die Kyrenaiker: die Tugend der Lust (Diogen. L. II, 91).
Später die Epikureer, nach welchen Tugend und Glückseligkeit untrennbar
sind (1. c. X, 132, 138). Die Lust ist das Ziel des Lebens, bzw. die Freiheit
von Unlust. — Bei PLATON wird das zunächst noch eudämonistische von dem
idealen, ja mystischen Moment überwogen. Die Tugend ist die Tüchtigkeit der
Seele dem ihr eigenen (Republ. 353); sie spaltet sich in mehrere
Tugenden (s. Kardinaltugend, Gerechtigkeit), die auch sozialethisch erörtert
werden. Ideales Ziel ist die Durchdringung des Lebens mit dem Geiste des
Guten, dessen Idee die höchste ist, der sich alles unterordnet. Das Höchste ist
es auch, von den Banden der Sinnlichkeit frei zu werden und sich Gott zu
verähnlichen fteco, Republ. 613 B; vgl. Theaetet A; Phaedo,
62 B, 67 A). Eudämonist, oder besser Energetist ist ARISTOTELES. Tugend
(s. d.) ist die (aus einer Anlage durch Betätigung entwickelte) Fertigkeit
zu vernunftgemäßer Tätigkeit kvegyeia Xoyov). Die „ethische"
Tugend ist die konstante Willensrichtung auf die
„richtige Mitte", die Bewahrung des rechten Maßes, die Vermeidung von Ex-
tremen. Die Tugenden betreffen das richtige Verhalten der
Vernunft im Erkennen, Schaffen und Handeln. Die Glückseligkeit, das höchste
Gut (s. d.), besteht in der dem menschlichen Wesen gemäßen (olxeXov) Betätigung
selbst (kv die Lust ist nicht Ziel, sondern Vollendung der Eudämonie
und Tugend (Eth. I, 5 ff.; II, 2 ff.). Die Stoiker setzen die Tugend
in das natur- und (damit) vernunftgemäße Leben
oneg xax — xb xaxd Xoyov In der Tugend selbst liegt
die Glückseligkeit, sie ist Selbstzweck (avxrjv avxrjv Aus der
einen Tugend ergeben sich alle anderen und es gibt nach vielen Stoikern kein
Mittleres zwischen Tugend und Laster, keine Adiaphora (s. d.); vgl. Diogen.
L. VII, 86, 125 ff. Die Pflicht (s. d.) wird betont (vgl. CICERO, De
— Nach PLOTIN ist die Tugend wieder eine Verähnlichung mit
Gott, eine Reinigung der Seele vom Leibe (Ennead. I, 2, 1 ff.; I, 6,
5 ff.; 6, 2); doch gibt es auch soziale Tugenden I, 2 ff.).
Nach AUGUSTINUS ist das Sittengesetz göttlichen Ursprungs und dem
Menschen ins Herz geschrieben. Die Tugend ist die Liebe zu Gott und zu
allem nach seinem wahren Werte (Confess. II, 4; De civitate Dei XV, 22; De
libero arbitrio II, 18). ABAELARD betont die gute Gesinnung (Eth. c. 3, 7, 13)
und die Gottesliebe. Nach THOMAS VON AQUINO ist gut, was der menschlichen
Natur und Vernunft gemäß ist (Sum. theol. I, 2, q. 94). Die Tugend ist eine
Vollkommenheit der zufolge wir das dem göttlichen Gesetz Gemäße
tun. Es gibt philosophische (intellektuelle, und theologische
Tugenden, die uns von Gott verliehen sind („virtutes infusae"; 1. c. II, 56, 3; 58, 3;
64, I, 55, 4). Nach DUNS SCOTUS ist das Gute durch den göttlichen Willen
gesetzt; so auch nach WILHELM VON GCCAM U. a. — Im thomistischen Sinne
lehren später KLEUTGEN, V. CATHREIN (Moralphiios. 1, 237 ff.; 5. A. 1911)
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften