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642 Spur — Staat.
Bewegung zur andern. — Über den „Artensprung" s. Mutation. VgL
Stetigkeit.
Spur s. Anlage, Disposition, Engramm.
Staat res publica, ist eine Herrschaftsorganisation, bzw.
die mit einer Herrschermacht ausgestattete Gebietskörperschaft (vgl. JEL-
Allgem. Staatslehre, S. 152 ff.), eine einheitlich-zentralisierte Organi-
sation der Gesellschaft unter Gesetzen zum Zwecke des Schutzes nach außen
und innen und schließlich zur Ermöglichung eines möglichst gesicherten kultu-
rellen und sittlichen Lebens (Rechtsstaat, Kulturstaat). Der Staat hat keine
reale Persönlichkeit, aber es kann doch von einem idealen „Staatswillen" geredet
werden, mag dieser nun konkret in herrschenden Gruppen („Klassenstaat")
oder in der Gesamtheit (Sozialer Staat, „Volksstaat") wurzeln. Hervorgegangen
ist der S. teils aus prästaatlichen Ordnungen in der
teils erst eigentlich durch den Zusammenschluß von Volksstämmen unter ein-
heitlicher Herrschaft, meistens nach Kampf, Unterwerfung; nach dem
der „Heterogonie der Zwecke" ist der S., der oft der Willkür und
macht dient, allmählich zur Organisation der Gesamtheit geworden, und es be-
steht die Tendenz zur Entwicklung im Sinne der reinen Staatsidee, des
ideals. Der Staat dient den Individuen und deren Zwecken, zugleich aber
der Entfaltung menschlichen Geisteslebens überhaupt. Das Wesen des
Staates, dessen Bedeutung, Funktionen, Zwecke usw. untersucht die Staats-
philosophie. — Auf den göttlichen Willen führt den S. J. v. STAHL
zurück (Philos. des Rechts6, 1878; Der christliche S.2, 1858), auf die
bloße Macht KALLIKLES U. a. (s. Rechtsphilosophie), L. VON HALLER
(Restauration der Staatswissenschaften 1820), MARX, GUMPLOWICZ
(Allgemeines Staatsrecht, 1897; Die soziolog. Staatsidee2, 1902; Geschichte
der Staatstheorien, 1905), RATZENHOFER (S. Politik), F. OPPENHEIMER (Der
S., 1907), A. MENGER (Neue Staatslehre, 3. A. 1906; Ideal des Arbeits-
und Volksstaates) u. a. Als eine Art Organismus betrachten den S. PLATON,.
ARISTOTELES, HEGEL, PUCHTA, BLUNTSCHLI (Die Lehre vom modernen S.
1875), GIERKE, WUNDT U. a. (s. unten). Aus einem „Vertrag" leiten den S.
ab EPIKUR, HOBBES, GROTIUS, PUFENDORF, CHR. WOLFF, ROUSSEAU, KANT,
FICHTE U. a. (vgl. Rechtsphilosophie; s. unten).
Einen idealen S. konstruiert PLATON. Der S., der gleichsam der Mensch
im Großen ist, beruht auf Bedürfnissen, auf dem Angewiesensein der Menschen
aufeinander. Zweck des Staates ist die Realisierung des Guten und so hat
sich ihm unterzuordnen. Die Ständegliederung erfolgt gemäß den Seelen-
teilen und Tugenden. Hiernach gibt es die Herrscher (Regierenden), die Wächter
(Krieger), die Bauern und Handwerker. Die Herrschenden sollen philosophisch
sein, d. h. im Sinne der „Ideen" denken und regieren. Die Klasse der
und Krieger darf keine Eigenfamilie und kein Privateigentum besitzen;
Frauen sind gemeinsam, die Kinder werden öffentlich erzogen, mit Auslese der
Geeigneten für die Herrscherklasse (Republ. 369 ff.; 451 ff.; vgl. spätere
Schrift Leges). Nach ARISTOTELES ist der S. ein Naturprodukt
und logisch |rüher als der Einzelne, wenn er auch historisch erst aus Familien
und Gemeinschaften hervorgegangen ist. Dem Ziele nach ist er das Erste;
um des Lebens willen entstanden, dient er dem guten und sittlichen Leben
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften