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Tugendlehre.
virtus, urspr. Mannhaftigkeit) ist sittliche
habitueller, konstanter Wille zum Guten, die sittlich wertvolle
die Betätigung im Sinne des Sittlichkeitswillens, der sittlichen
Jedes dauernde Verhalten, das als wahres Mittel zur Realisierung des
zweckes gewertet und gefordert wird, ist oder gilt als eine Tugend. Es gibt
individuelle, soziale und humane Tugenden, je nachdem es sich um Pflichten
gegen sich selbst, gegen andere, gegen die Gemeinschaft, die Menschheit
handelt, um Pflichten, deren Befolgung in den Willen der Handelnden selbst
aufgenommen ist (vgl. Pflicht, Sittlichkeit).
Die Lehrbarkeit der T. behauptet SOKRATES (S. Sittlichkeit). Nach,
PLATON ist die T. die Tauglichkeit der Seele zu dem ihr gemäßen Werke (Re-
publ. I, 353; II, ff.; III, 401 B ff.; s. Kardinaltugend), nach ARISTO-
TELES die durch Übung entwickelte Fertigkeit zur
Tätigkeit. Er unterscheidet „ethische" (Tapferkeit, Mäßigkeit, Freigebigkeit
u. a.) und „dianoetische" Tugenden (Vernunft, Wissenschaft, Weisheit;
s. Kardinaltugenden, Sittlichkeit). In das natur- und vernunftgemäße
Leben setzen die die T., welche Selbstzweck ist und das Glück in
trägt. Die T. hat keine Grade; zwischen ihr und dem Laster gibt es
Mittleres (s. Sittlichkeit; vgl. Diogen. Laert. VII, 81 ff.; vgl. CICERO, De
I, 8; 16; SENECA, Epist. 66, 31 f.). Nach ist die T. die Bedingung
der Glückseligkeit; Grundtugend ist die richtige Einsicht bei der Erwägung
der Folgen einer Lust (Diog. Laert. X, 132 ff.). PLOTIN unter-
scheidet „politische" und „reinigende" Tugenden (s. Sittlichkeit).
Die christlichen — theologischen — Tugenden sind Glaube, Hoffnung und
Liebe. Sie kommen zu den „intellektuellen" und „moralischen" Tugenden hinzu
(THOMAS, Contr. gent. II, 58, 3). Auch werden sie von den Scholastikern
als von den „erworbenen" Tugenden („infusae et acquisitae")
unterschieden (ALBERTUS MAGNUS, Sum. theol. II, 102, 3; THOMAS, De
qu. 1, 9; Sum. theol. I, 55, 4; DUNS SCOTUS U. a.).
Nach GEULINCX gibt es nur eine einheitliche T. (Eth. II, S.
SPINOZA verlegt die T. in die Selbsterhaltung des menschlichen Wesens
Sittlichkeit). CHR. WOLFF definiert die T. als Fertigkeit, dem
gemäß zu handeln oder sich und andere vollkommener zu machen (Philos.
pract. I, § 321 ff.; Vern. Gedanken von den Kräften des menschL Verstandes,.
S. 21). Nach KANT ist T. „die moralische Stärke des Willens eines Menschen
in Befolgung seiner Pflicht" (Metaphys. der Sitten II, Tugendlehre,
Anthropol. I, § 10). Als sittliche Kraft des Einzelnen bestimmen die
FICHTE, HEGEL, SCHLEIERMACHER (Philos. Sittenlehre, § 295); HERBART,
BENEKE, TRENDELENBURG, LIPPS, NATORP (Sozialpäd.8, § 12 ff.: 1. T. der
2. des Willens = Tapferkeit oder sittliche Tatkraft, 3.
Trieblebens = Reinheit oder Maß; 4. Gerechtigkeit) u. a. Nach PAULSEN sind
Tugenden „habituelle Willensrichtungen und Verhaltungsweisen, welche die
des Eigenlebens und des Gesamtlebens zu fördern
d. Ethik 1900, 3 ff.). Vgl. E. LAAS, Idealismus u.
1879/84, II, ff.; WUNDT, 1892, S. 555; 4. A. 1912; TÖNNIES,
meinschaft u. Gesellschaft, 1887, S. COHEN, 1907, S. 442 ff.;.
C. STANGE, Einleit. in die Ethik, II, 1900/01, 35 ff.; WALDAPFEL,
der Naturphilos. V, 309 f. — Vgl. Sittlichkeit, Kardinaltugenden.
Tugendlehre ist ein Teil der Ethik, nach KANT die Lehre von
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften