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Unbedingt — Unbewußt. 695
Unbedingt s. Absolut, Bedingung, Antinomie, Idee (KANT). Vgl. SCHEL-
LING, WW. I 3, 11 ff.
Unbewußt: 1. aktiv: ohne eine Bewußtsein, ohne Wissen um etwas,
ohne Aufmerksamkeit auf etwas, ohne sein eigenes Tun zu bemerken, ohne es
zum Gegenstand der Aufmerksamkeit zu machen; 2. passiv: a) nicht selbst-
bewußt, nicht gewußt, nicht beachtet, nicht bemerkt, nicht selbständig ins Be-
wußtsein tretend oder sich als Erlebnis abhebend, nur als (nicht „apperzipiertes")
Element oder Moment des psychischen Zusammenhanges durch seine Wir-
kungen konstatierbar; b) nicht im Bewußtsein, nicht als Bewußtseinsinhalt ge-
geben, für ein Subjekt nicht vorhanden. Es gibt keine unbewußten Vor-
stellungen, denn jede Vorstellung als solche ein Bewußtseinsinhalt. Ein
unbewußtes Psychisches als ein nicht bemerkter, nicht gegenständ-
licher, rein funktioneller Erlebnisbestandteil, als nicht für sich hervortretende
Erregung und Regung, nicht reflektierte psychische Reaktion und Aktion be-
steht. In diesem Sinne verläuft ein großer Teil des Seelenlebens, insbesondere
sinnliche Innenseite der meisten organischen Prozesse (s. Parallelismus),
Durch „Mechanisierung" (s. d.) wird beständig Bewußtes
unter- und unbewußt. Das relativ Unbewußte ist vom Bewußtsein (s. d.) nur
graduell verschieden. Vgl. Disposition.
Die Existenz unbewußter Vorstellungen bestreiten DESCARTES (Respons. ad.
obiect. IV), (Recherche de la 2, 7), LOCKE (Essay
concern. hum. understand. II, K. 1, § 10), BONNET (Essai de Psychol., K. 35)
u. a. Dunkle, unbemerkte, nur mittelbar bewußte Vorstellungen gibt es nach KANT
{Anthropol. I. § 5), FRIES (System d. Logik, 1811, S. 49 f.), LOTZE (Metaphys.2,
1879, S. 523), BRENTANO (Psychol. I, 76), ZIEHEN, WUNDT (Grdz. d. physiol.
Psychol. 1903, KÜLPE (Grundr. d. Psychol., 1893, S. f.; JODL
(Lehrb. d. Psychol. 1909, 155 ff.); J. ST. MILL, SPENCER, RIBOT, FOUILLEE
u. a. Nach ihnen, wie nach HORWICZ, REHMKE, HÖFLER (Psychol., 1897,
S. 273 f.), KREIBIG, SIGWART (Logik 1889/93, 193; 4. A. 1911), HÖFFDING
(Psychol.2, 1893, S. 95 f.) u. a. gibt es nur relativ Unbewußtes (Unter-
bewußtes, Unbemerktes, Bewußtseinsdispositionen u. dgl.). Nach MAUDSLEY,
LEWES, JODL, RIBOT U. a. gibt es nur unbewußte „Zerebrationen"
{Gehirnprozesse ohne begleitendes Bewußtsein).
Die Lehre von den unbewußten „Perzeptionen" begündet LEIBNIZ. ES
gibt nach ihm unmerkliche oder „kleine" Perzeptionen („perceptions insen-
sibles", „petites perceptions"), die nur in ihrer Summierung und Steigerung
bewußt werden, nicht für sich allein. Den organischen Vorgängen entsprechen
psychische Zustände, die nicht ins Bewußtsein treten (Nouv. Essais II, K. 1,
§ 19; Werke, hrsg. von Gerhardt V, 48; VI, 600; s. Bewußtsein). Ähnlich
lehrt CHR. WOLFF (Psychol. rational., § 58 ff.). Unbewußte Vorstellungen
gibt es nach CUDWORTH, TETENS (Philos. Vers. I, 265), PLATNER (Philos.
Aphorismen I, § 63 f.), BOLZANO, W. HAMILTON U. a. Nach FICHTE erzeugt
das Ich durch seine unbewußte Tätigkeit die Vorstellungswelt (vgl. Gr.
d. gesamten Wissenschaftslehre, S. 399). SCHELLING spricht vom „ewig
Unbewußten" (WW. I 3, 609). Das Bewußtsein geht aus dem Unbewußten
hervor; so auch nach G. CARUS, BAADER, SCHOPENHAUER (S. Wille),
GÖRING, FORTLAGE (System d. Psychol. II, 26 f.), J. H. FICHTE (Psychol. I,
ff.), E. v. HARTMANN, nach welchem die psychische Tätigkeit absolut un-
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften