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Unsterblichkeit.
Nachwelt sich erhält und zur Geltung kommt; 2. das allen Individuen
zugrundeliegende überzeitliche, ewige Sein der absoluten Ichheit und Geistig-
keit, der „Geist an sich", dessen in der Zeit wechselnde Erscheinungs-
formen und Inhalte die einzelnen Ichs (Subjekte) sind, die er aus sich gleich-
sam entläßt und in sich zurücknimmt, so aber, daß die Individualität eine
Bedeutung bewahrt. Eine positive Erkenntnis betreffs der U. ist uns
versagt, aber das wissen wir: was schon während des Lebens den ewigen Kern
unseres Seins bildet, das kann nicht vergehen, weil es der Zeit überlegen ist
(s. Ewigkeit); es ist nicht in der Zeit, sondern die Zeit ist in und an ihm, ist
durch es gesetzt, ist seine Entfaltung für den „Endlichkeitsstandpunkt".
Die Idee der U. findet sich schon bei Naturvölkern (s. Seele; vgl.
E. ROHDE, 1907), ferner in der Philosophie (s. Seelen-
wanderung, im Parsismus, im späteren Judentum und Christen-
tum. Eine U. lehren die Orphiker, PHEREKYDES, ALKMAION, HERAKLIT,
SOKRATES, besonders PLATON. Die Seele ist unsterblich, denn sie ist selbst-
bewegt, ist das Prinzip des Lebens, das zu ihrem Wesen gehört, sie ist mit
den ewigen „Ideen" verwandt, erkennt diese, hat eine Erinnerung an das im
Zustand der Präexistenz (s. d.) Geschaute, u. dgl. (Phaedr. 245 C Republ.
609; Phaedo, 62 f.; 728 ff.; ff.; Menon, 80 ff.; Tim., 69). Nach ARIS-
TOTELES ist nur der „Geist" (s. d.), nicht die ganze Seele unsterblich (De
anima III 5, 430 a 22 ff.). Von den Stoikern lehrt KLEANTHES, daß alle
Seelen bis zum nächsten Weltbrand (s. Ekpyrosis) dauern, CHRYSIPP, daß nur
die Seelen der Weisen (Diogen. Laert. VII, 156 ff.). Nach SENECA
(Epist. 56 ff.), EPIKTET, MARC kehrt die Seele zum göttlichen
Einen zurück. Die U. der Seele lehren CICERO disput. 1, 27, 66),
PHILON (Quod Deus 10), PLOTIN, NEMESIUS U. a., während
LUCREZ alle U. leugnet (De rerum natura III, 410 ff.).
Die persönliche U. wird von den meisten Philosophen des Mittelalters an-
genommen, so von (De anima 41 ff.), ORIGENES (De princip. II,
8, 2), AUGUSTINUS, nach welchem die U. der Seele aus deren Teilhaben an den
Wahrheiten folgt (De immortalitate animae, 1 ff.), MAIMONIDES (Doctor
perplexorum III), ALEXANDER VON HALES, BONAVENTURA, ALBERTUS
MAGNUS, THOMAS VON AQUINO, nach welchem der Wunsch nach Fortleben
nicht eitel sein kann (Sum. theol. I, 75, 6; Contr. gent. II, 49 ff.), DUNS
SCOTUS U. a. Vgl. D. GUNDISALVI, De animae, hrsg. 1897. — Nach
AVERROES ist nur der allgemeine, aktive Intellekt (s. d.) unsterblich (De-
II, 2 ff.). Ähnlich lehren VON BRABANT und
andere (s. d.), auch solche der Renaissance; auch die
dristen (s. d.) leugnen die individuelle U. VgL POMPONATIUS, De
animae, C. 12 ff.
Nach SPINOZA bleibt vom menschlichen Geist etwas Ewiges bestehen, in-
sofern es in Gott eine Idee von ihm gibt (Eth. V, prop. XXIII). Unsterblich
sind wir, sofern wir Ewiges denken, uns „sub specie aeternitatis" (als in Gott
zeitlos begründet) betrachten (vgl. De deo, C. vgl. Liebe). — Die persön-
liche U. lehren hingegen M. FICINUS, DESCARTES, GASSENDI, CUDWORTH,
H. MORE, LEIBNIZ (S. Tod), LOCKE, BERKELEY (Principles CONDILLAC,
BONNET, ROUSSEAU, CHR. WOLFF (Unzerstörbarkeit der einfachen Seele; Ver-
Gedanken von Gott . . . I, § 926), BAUMGARTEN (Metaphys. § 776 ff.),
G. F. MEIER, MENDELSSOHN (Phaedon; Argumente ähnlich wie bei
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften