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710 Urteil.
Die Begriffe erzeugende Einheitsfunktion des Urteils betont KANT. Das
U. ist „Vereinigung der Vorstellungen in einem Bewußtsein" (Prolegomena,
§ 5), die Art, „gegebene Erkenntnisse zur objektiven Einheit der Apperzeption
zu bringen", eine Funktion der Einheit unter Vorstellungen (Krit. d. rein.
Vern., S. 88). Alles Denken (s. d.) ist Urteilen und die Grundformen des Ur-
teils sind der Leitfaden zur Auffindung der Kategorien (s. d.). Die analy-
tischen Urteile das Subjekt in seine Teilbegriffe, lehren nichts Neues.
Die synthetischen Urteile hingegen erweitern die Erkenntnis, gehen den
Subjektsbegriff hinaus, bestimmen ihn vollständiger und genauer auf Grund
der Erfahrung (synthet. U. a posteriori; z. B. Alle Körper sind schwer) oder
der apriorischen, reinen Formen der Anschauung und des Denkens („synthet.
Urteile a priori"). Die Notwendigkeit der analytischen Urteile ist eine
logische, beruht auf dem Prinzip der Identität, bzw. des Widerspruchs (z. B.
alle Körper sind ausgedehnt; die Ausdehnung ist im Begriff „Körper" mit-
gedacht, konstituiert ihn). Die Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit der
synthetischen Urteile a priori (z. B. alles Geschehen hat eine Ursache) beruht
darauf, daß sie die Bedingungen, Grundlagen, Voraussetzungen möglicher Er-
fahrung und deren Objekte enthalten (Krit. d. rein. Vern., S. 39 ff., ff.;
Prolegomena, § 2; s. A priori, Axiom, Erfahrung, Erkenntnis, Deduktion,
Transzendental, Kritizismus, Mathematik, Naturwissenschaft, Metaphysik). Über
den anal. u. synthet. Urteile vgl. TRENDELENBURG, Log. Unter-
such. II2, 1862, ff.; 3. A. 1870; SIGWART, Logik I2, 1889/93, ff.;
4. A. HUSSERL. Log. Untersuch. II, 1900, 247; A. MESSER, in
d. Erkenntnistheorie, 1909, S. 93; NATORP, Die logischen Grundlagen der
exakten Wissensch., 1910; DRIESCH, Ordnungslehre, 1912, u. a.
Die Erzeugung des Begriffs im Urteil lehrt COHEN. Das U. erzeugt den
Gegenstand der Erkenntnis, indem es die „sachlichen Grundlagen, als die
Voraussetzungen der Wissenschaft" erzeugt. Das U. ist der „Weg" zur Kate-
gorie (s. diese das „Ziel" derselben, eine Grundform der Urteilsvollziehung
(„Logik des Urteils"). Es gibt Urteile der Denkgesetze, der Mathematik, der
mathematischen Naturwissenschaft, der Methodik (Logik, 1902, S. 43 Ähnlich
CASSIRER, KINKEL U. a. Nach E. LASK ist das Prädikat des Urteils stets eine
Kategorie (Die Lehre vom Urteil, 1912). Daß mit dem Urteil zugleich erst
der Begriff erzeugt wird, betonen ferner NATORP (Die log. Grundlagen der
exakten Wissensch., 1910, S. 28, 37, 40 ff.), nach welchem das U. ursprünglich
„Setzung eines Begriffs in Beziehung auf ein zu Begreifendes", „Bestimmung".
eines X zu A, B . . . ist, LIEBMANN, WINDELBAND (Sigwart-Festschrift,
46), DRIESCH (Ordnungslehre, 1912, S. 62 ff.), v. D. PFORDTEN (Urteil u.
Begriff, 1906), REHMKE (Urteilen „Gegebenes durch Gegebenes bestimmen
oder begreifen", Philos. als Grundwissenschaft, 1910; Unsere Gewißheit v. d.
Außenwelt, S. 26 ff.) u. a. (vgl. Begriff); HERBART, Lehrb. zur Ein-
leit. in die 1883, S, 91, das U. ist die Entscheidung auf eine
Frage; dies auch nach RICKERT, NATORP, R. Mechan. des geistigen
Lebens, 1906, S. 248 ff., u. a. Vgl. BENEKE, System d. Logik I, 1848,
ff.; BACHMANN, System d. Logik, 1828, S. ff.; SIGWART, Logik,
ff., 4. A. 1911 (Ineinssetzung von Vorstellungen); SCHUPPE, Grdz. d.
Erkenntnistheorie u. Logik, 1893, S. 37 ff., 135, 175 f.; 2. A. 1910; COHN, Voraus-
setzungen u. Ziele des Erkennens, 1908; E. SCHRADER, Elemente der Psychol.
des Urteils, 1905 f.; H. MAIER, Psychol. des emotionalen Denkens, 1908,
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften