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Handwörterbuch der Philosophie
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Vermutung — Vernunft. Vermutung s. Konjektur. Verneinung s. Negation, Position, Pessimismus. Vernunft (von vernehmen; vovg, Xoyog, intellectus, ratio) deutet: 1. allgemein: Geist, Intellekt (s. d.); 2. im Unterschiede vom Verstand (s. d.) die Fähigkeit umfassender, auf höchste Einheit der Erkenntnis und des- Handelns gerichteter Geistestätigkeit, deren Produkte, die Ideen (s. d.), Mannigfaltige der Erfahrung und Verstandeserkenntnis zur Synthesis fassendster Zusammenhänge verknüpfen. Je nach dem Material der dem Zielpunkt der Tätigkeit ist die V. theoretische oder praktische V.; in beiden Richtungen der V. ist schon der Wille, als Vernunftwille, wirk- sam (s. Einheit). Die V. im weiteren Sinne ist eine Quelle apriorischer (s. d.) Begriffe und Grundsätze. Erkenntnistheoretisch ist aber unter V. nicht eine seelische Kraft zu verstehen, sondern der Inbegriff geistiger durch welche die Erkenntnis ihre Grundlagen und ihre Zusammenhänge erhält, oder — rein logisch („transzendental") — der Inbegriff der Geltungen, Setzungen (Begriffs- und Urteilsinhalte), welche die Voraussetzungen objektiven zusammenhanges bilden. Diese Funktionen, Setzungen und Geltungen stellen, abstrakt betrachtet, die „reine Vernunft" dar (s. Subjekt). — In das Gebiet der V. fällt auch die Erkenntnis und Ermittelung Richtigen, des mäßigen. Vernünftig ist, insofern, das Sinn- und Zweckvolle als durch V. Geforderte, das Logische im weiteren Sinne. Unter objektiver V. ist der innere Zusammenhang des Geschehens, die Struktur des Seins zu verstehen. Es besteht in der geistigen kulturellen Ent- wicklung die Tendenz, das Gegebene immer mehr vernünftig zu gestalten, es» nach Grundsätzen der V. zu ordnen, zu regeln, Widerspruchsvolles und Ein- seitiges zu beseitigen, in höheren Formen (vgl. Aktivismus,. Kultur, Ideal, Voluntarismus, Wille). Vielfach wird unter V. ein höheres, auf das Übersinnliche Geistesvermögen verstanden, meist jedenfalls ein solches, welches den Menschen von den Tieren unterscheidet, als Fähigkeit, logisch zusammenhängend zu denken, zu schließen, besonnen und zweckbewußt zu handeln. So nach ARIS- TOTELES Intellekt, Seele), welcher theoretische und praktische V. (vovg De anima III 10, 433 a 15) unterscheidet, CICERO (De I, 10;. De finibus II, 14, 45 f.). Die betrachten die „rechte Vernunft" „recta ratio") als Quelle der Wahrheit (vgl. SENECA, Epist. auch gibt es ihnen (wie nach eine Weltvernunft (s. Logos,. Sittlichkeit). In der mittelalterlichen Philosophie gilt die V. als Vermögen übersinnlicher Erkenntnis (AUGUSTINUS, De trinit. XII, 12, 17). Doch wird dieses Vermögen oft nicht als „ratio", sondern als „intellectus" oder „intelligentia" bezeichnet und von dem diskursiven (s. d.), begrifflich-schließenden Denken („ratio") schieden (JOH. SCOTUS ERIUGENA, De divis. natur. II, 23; R. ST. VIC- TOR, De contemplat. III 19; JOH. VON SALESBURY, Metalog. IV, 18 u. später auch NICOLAUS CARDANUS U. a). Nach THOMAS VON AQUINO bezieht sich der auf die unmittelbare Erfassung der Wahrheiten, die „ratio" auf das diskursive, schließende Ermitteln von Wahr- heiten („Intellectus sumitur ab penetratione veritatis, rationis ab et Sum. theol. IL II, 49, 5 ad 3).
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Handwörterbuch der Philosophie
Titel
Handwörterbuch der Philosophie
Autor
Rudolf Eisler
Verlag
ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
Ort
Berlin
Datum
1913
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
Abmessungen
12.7 x 21.4 cm
Seiten
807
Schlagwörter
Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
Kategorie
Geisteswissenschaften
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