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Handwörterbuch der Philosophie
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Verstand. zeugenden, bedingenden Funktionen, Gesetze und Geltungen (Grundbegriffe, Grundsätze; s. Vernunft). V. und Vernunft unterscheidet schon PLATON (Phaedo, 189 D f. 1, 83 B; Theaetet 160 D, 185 A; Phaedr. 247 C; Republ. 511 D, 533 D). ARISTOTELES unterscheidet tätigen und leidenden V. (s. Intellekt). In der mittelalterlichen Philosophie wird das, was jetzt gewöhnlich als V. bezeichnet wird, der „ratio" zugeschrieben (s. Vernunft); auch nach NICOLAUS CUSANUS ist die „ratio" diskursiv (s. d.), nicht wie die „intelligentia" zur Überwindung der Gegensätze contradictoria") fähig (De coniectur. I, 11; II, 16). — Nach THO- MAS VON AQUINO U. a. ist der V. (intellectus) die unmittelbare Ermittlung von Wahrheiten (s. Vernunft). — Nach LEIBNIZ, CHR. WOLFF Gedanken von den Kräften des menschL Verstandes, S. 23) ist der V. das Vermögen, deutlich vorzustellen, deutliche Begriffe zu haben (Psychol. rational. § 64, 387; der „reine" V. ist das vom Sinnlichen freie Denken). KANT stellt den V. als aktive Geistestätigkeit der Sinnlichkeit und An- schauung (s. d.) gegenüber (s. Spontaneität), als „Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen". Der V. ist das „Vermögen zu urteilen". Der „reine" V. ist die Quelle apriorischer Begriffe (Kategorien) und Grundsätze (s. Axiom) als Grundlagen der Erfahrung und ihrer Objekte. Er ist so ein „formales und synthetisches Prinzipium aller Erfahrungen", durch seine Synthesis (s. d.) kommt es erst zu objektiven Erfahrungsznsammenhängen. Als „Vermögen der Regeln" bringt der V. erst Ordnung (s. d.) und Gesetzlichkeit in die Er- fahrung, er ist so der „Gesetzgeber der Natur" (s. Gesetz, Regel). Der „ge- sunde Menschenverstand" reicht für die Philosophie nicht aus. Sinnlichkeit und V. haben vielleicht nur eine Wurzel. Gegen die „Reflexionsphilosophie" (s. d.) des abstrahierenden, ver- einzelnden einseitigen Verstandes wenden sich HAMANN, JACOBI, SCHELLING (vgl. WW. I 4, 299 ff.; s. Vernunft) und HEGEL (dieser auch gegen KANT, JACOBI U. a.), nach welchem die Vernunft (s. d.) die Ein- seitigkeiten, Abstraktheiten und Gegensätze, die der V. fixiert, überwindet (Enzyklop. § 80, 422, 467; vgl. WW. I, 4, 25, 72, ff.; II, 11, 53 III, V, 115; XIV, 6 f.; 116). Als „fixieren- des" Vermögen betrachtet die V. FICHTE. Der V. ist „ein ruhendes untätiges Vermögen" (Gr. der gesamten S. 201 f.; vgl. WW. II, 29 f., 40). Als anschauliche Erkenntnis bestimmt den V. SCHOPENHAUER als Wille und I, § 8; vgl. Anschauung). Nach HERBART ist der V. die Fähigkeit, „sich im Denken nach der Qualität des Gedachten zu richten" (Psychol. II, § nach HÖFLER U. a. „Befähigung zu richtigen Urteilen" (Psychol., 1897, S. 260). Nach WUNDT ist er die Fähigkeit, „die Gegen- stände und ihre Beziehungen durch Begriffe zu denken" (System d. Philos. I3, 1907, S. 206 ff.). BERGSON stellt den, praktischen Zwecken, dem Handeln dienenden, das stetige Werden analysierenden, in homogene, statische Elemente gliedernden, verräumlichenden, geometrisierenden V. dem „Instinkt" und der „Intuition" (s. d.) gegenüber. Der V. ist aus einer Anpassung an die materielle, mechanisch gewordene Richtung der Entwicklung entstanden und erfaßt nur diese Stufe oder Seite des Wirklichen adäquat, nicht das lebendige Werden, die schöpferische Entwicklung (s. d.), das „Leben" (s. d.), die Un-
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Handwörterbuch der Philosophie
Titel
Handwörterbuch der Philosophie
Autor
Rudolf Eisler
Verlag
ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
Ort
Berlin
Datum
1913
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
Abmessungen
12.7 x 21.4 cm
Seiten
807
Schlagwörter
Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
Kategorie
Geisteswissenschaften
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