Seite - 760 - in Handwörterbuch der Philosophie
Bild der Seite - 760 -
Text der Seite - 760 -
Wiedererkennen — Wille.
Wiedererkennen ist das Bewußtsein, daß etwas, ein auftretender
Inhalt schon „bekannt", d. h. schon einmal erlebt ist, ist Identifizierung eines
neuen mit einem schon erlebten Inhalt, während das „Erkennen" (im rein
psychologischen Sinne) die Einordnung eines Neuen in eine Klasse bekannter
Inhalte bedeutet, wodurch es bestimmt, gedeutet wird. Die „Bekanntheits-
(HÖFFDING; AVENARIUS) beruht darauf, daß mit dem
neuen Inhalt die „Residuen" (unbewußte Dispositionen oder unterbewußt
bleibende Reproduktionselemente) früherer Vorstellungen desselben Gegen-
standes verschmelzen. Von der unmittelbaren (direkten) ist das mittelbare W.
(vermittelte) zu unterscheiden, bei welcher ein Gegenstand mittelst irgendwelcher
begleitender Vorstellungen und deren Merkmale erkannt wird. Eine bewußte
Vergleichung des Neuen mit Erinnerungsvorstellungen findet nur selten statt.
Auf Verschmelzung oder auch eine Assimilation, bzw. Assoziation führen
das W. zurück A. LEHMANN (Philos. Studien V, VII), JAMES, WUNDT (Grundr.
d. Psychol.5, 1902, S. 285 ff.), KÜLPE (Grundr. d. Psychol., 1903, S. 177 ff.);
HAGEMANN-DYROFF (Psychol.8, 1911), JODL (Lehrb. d. Psychol. II8,
152 ff.), B. ERDMANN (Vierteljahrsschrift f. wissensch. Philos. 10. Bd., „Ge-
dächtnisresiduen", „Residualkomponenten") u. a.; vgl. OFFNER (Das Gedächt-
1911, S. 116: Verschmelzung, keine Assimilation); BERGSON et
1909, S. 91 ff.; aber kein Vergleichen) u. a.
Auf die bloße Erleichterung der Auffassung durch das infolge des früheren
Erlebnisses modifizierte seelische Organ führen das W. (bzw. die „Bekannt-
heitsqualität") zurück BONNET (Essai analytique, 1770—71, § 91 ff.), HÖFF-
DING (Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 13. Bd.; Philos. Studien VIII;
Der menschliche Gedanke, 1911), FOUILLEE, J. WARD, H. CORNELIUS, ZIEHEN,
CLAPAREDE U. a. — Vgl. MEINONG, Zeitschr. f. Psychol. VI, 1894; REHMKE,
Allgem. Psychol., 2. A. 1903, S. 502 ff. (Vergleichung); SEMON, Die mnemischen
Empfindungen, 1909, S. (ebenfalls); JAMES, Psychologie, 1909, S. 300
DÜRR, Erkenntnistheorie, 1910; STÖRRING, Vorles. über Psychopathologie, 1900;
A. FISCHER, Zeitschr. f. Psychol. 50. Bd.; E. MEYER, die Gesetze der
simultanen Assoziation u. das Wiedererkennen, 1910. — Vgl. Amnesie, Seelen-
blindheit, Anamnesis.
Wiederkunft s. Apokatastasis.
Wille voluntas) bedeutet sowohl die allgemeine Fähigkeit, zu
wollen als die Einheit, den Inbegriff der Wollungen, Willensprozesse als auch
den Inhalt des Wollens, die „Willensmeinung", dasjenige, worauf das Wollen
sich richtet, den „Willensgegenstand"«) das „Willensziel". Ferner versteht man
unter Willen (Wollen) teils das Streben (s. d.) überhaupt, den Trieb (s. d.) wie
den entwickelten, aus einem Motivenkampf, Überlegung hervorgehenden, be-
sonnenen Willen, teils nur diesen letzteren. Das Wollen im weiteren Sinne ist
ein spezifischer, ursprünglicher, aus anderen Vorgängen nicht restlos ableitbarer
psychischer Prozeß, der aber nicht absolut einfach ist, sondern — mehr oder
weniger differenzierte — Momente oder Phasen einschließt, die in ihrer Son-
derung als Empfindung (bzw. Vorstellung) und Gefühl gekennzeichnet sind, sich
aus dem einheitlichen Ablauf, „Wollen" genannt, herausheben lassen und in der
Entwicklung des Seelenlebens auch vielfach zu relativen Selbständigkeit
insofern gelangen, als die an sie sich knüpfende „Tendenz" sehr schwach wer-
den kann. Diese „Tendenz", diese „Richtung", in allem Wollen liegt,
zurück zum
Buch Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften