Seite - 1 - in Heraldischer Atlas - Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
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ELEMENTE DER HERALDIK.
Unter Heraldik versteht man die Lehre von den
Wappen und zwar den theoretischen Teil oder die
Wappenkunde und den praktischen Teil oder die Wappen-
kunst.
Die Heraldik wird zu den historischen Hilfswissen-
schaften gezählt und ist für den Historiker, namentlich
den Kunsthistoriker von grosser Bedeutung, weil sehr
oft das Wappen allein die Ermittlung des Ortes, der
Zeit und des Urhebers eines zu prüfenden Gegen-
standes ermöglicht.
Das Wort Heraldik ist aus dem alten »Herold«,
so viel wie Bote, abgeleitet, das wieder aus »hario-
wisius«, »hariowaldus« — derjenige, der die Symbole
aller Stammesgötter und die Geschlechter, denen diese
zukommen, kennt — entsprossen ist.
. In den letzten Jahren des XII. Jahrhunderts er-
schienen bei Festlichkeiten, Kampfspielen u. s. w. Per-
sonen in meist farbenreicher Kleidung, welche die Ein-
ladungen den Gästen über-
brachten, also Botendienste ver-
richteten, an Seite der Turnier-
vögte die Vorbereitungen zu
den Kampfspielen und deren
Verlauf überwachten und am
Schlüsse die Thaten der sieg-
reichen Kämpfer in Liedern
verherrlichten, es waren dies
die Garzune und die Crogieräre,
Leute, die zum »gehrenden«
oder »varenden« Volke gezählt
wurden, die also trotz ihrer
viel Witz und Geschicklichkeit
erheischenden Dienstleistungen
keine Rechte besassen.
Am Ende des XIII. Jahr-
hurderts verschwanden die
Garzune und an ihre Stelle
traten die Knappen von den
Wappen, welche später, um die
Mitte des XIV. Jahrhunderts,
von den »erald's«, Ehrenholden
oder Herolden abgelöst wurden.
Wie ihre Vorgänger hatten auch die Herolde bei
den Turnieren, bei der dem Kampfspiele vorangehenden
sogenannten Helmschau, die Wappen der Kampf-
Zierleiste nach einer Zeichnung von Hans Burgkmair, 1520 lustigen eingehend zu prüfen, unrechtmässiges oder
auch nur schlechtgeführtes zurückzuweisen, die Tur-
nierfähigkeit abzuschätzen, u. s. w. Konrad Grünen-
berg (siehe Taf. XXX—XXX1I1) giebt in seinem zu
München befindlichen Wappencodex eine Darstellung
einer solchen Helmschau (Fig. 2). — »N. solicher ge-
stalt schawt man dy heim vnd welcher nit genoss ist
den haist man sein kleinet abtragenn domit er nit ge-
schmächet werdet.« —
Das ganze Wappenwesen lag in den Händen
dieser »Boten des Adels« ; sie bildeten im Laufe der
Zeit eine eigene Kunstsprache aus, brachten die alten
Ueberlieferungen in bestimmte Regeln und schufen
dadurch, vielleicht nicht ohne Absicht, eine dem Laien
geheimnisvoll scheinende Wissenschaft.
Sie teilten sich in drei Rangklassen, in Wappen-
könige (Reges Heraldorum), Herolde und deren Ge-
hilfen oder Persevanten. Sie führten nicht ihre Ge-
schlechtsnamen sondern eigene Amtsnamen, die bei
dem Amte blieben, z. B. Garter (erster Wappenkönig
von England), Rouge Croix (englischer Persevant),
Suchenwirt (Such-den-Wirt, herzogl. österr. Herold),
Lub-den-Frumen (Lichtenstein'scher Persevant), Jeru-
salem (pfalzgräflich Simmer'scher Herold), Romreich
(kaiserlicher Herold) u. s. w. Ihre Amtstracht bestand
in einem dem Levitenkleide ähnlichen Ueberhang, dem
Tappert, der vorne und rückwärts mit dem betreffenden
Wappen geschmückt war. In der Hand wurde als
Abzeichen ein weisser, später in den Wappenfarben
prangender Stab geführt. Der Wappenkönig trug
ausserdem noch eine Krone auf dem Haupte, mancher
auch eine Ehrenkette um den Hals. Fig. I zeigt das
Portrait des ersten, vom Könige Heinrich V. anlässlich
des Capitels zu Rouen, 5. Januar 1420, eingesetzten
englischen Wappenkönigs, William Bruges, Garter King
of Arms. Die Tafeln I und II enhalten Heroldskostüme
aus verschiedenen Zeiten und Ländern.
Um die Mitte des XVI. Jahrhunderts kommen die
Amtsnamen der Herolde ausser Gebrauch; sie führen von
da an ihre Geschlechtsnamen und die Titulatur »Edel und
Ehrenvest«, aber es dauerte nicht lange und die
Herolde wurden selbst ins alte Eisen geworfen, wohin
schon vorher das ritterliche Rüstzeug gewandert war.
Das Wort » Wäpen« war mit * Wäfen« im Mittel-
alter gleichbedeutend (»sin wäfen ouch dar an was
1, mit den Wappen der Grimm undWirsung. (Siehe Tafel LXXIV.)
Fig. 1. William Bruces,
erster Carter Kinn of arms-
(1420.)
Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika