Seite - 7 - in Heraldischer Atlas - Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
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lieh zu betrachten sind, sondern nur als Dekoration
dienen; es sind die Würdezeichen, wie Rangkronen,
Hüte und Mützen, Orden, Attribute der Aemter u. s. w.
und die sogenannten Frachtstücke, wie Schildhalter,
Fahnen, Wahlsprüche, Wappenmäntel etc.
Ein Wappen entwerfen und bildlich darstellen heisst
in der heraldischen Kunstsprache »aufreissen«, ein
Wappen mit Benützung der Kunstsprache beschreiben
»blasonieren*, wobei stets die vornehmsten, wichtigsten
Teile, die rechts und oben stehenden zuerst »an-
gesprochen« werden. Die Blasonierung eines Wappens
ist nicht so leicht; die Beschreibung muss kurz und
bündig, dabei aber doch so allumfassend und zutreffend
sein, dass der Künstler durch sie instand gesetzt wird,
das beschriebene Wappen ohne Fehler aufzureissen.
Die Wappenbilder, wie sie im Mittelalter zur
Zeit der lebenden Heraldik geführt wurden, hatten in
erster Linie den Zweck, die Besitzer der Wappen, die
Wappenherren, schon von weitem als solche kenntlich
zu machen, im Schlachtgetümmel die Genossen zu-
sammen zu führen, Freund und Feind von einander zu
unterscheiden, wie dies heutzutage allerdings in einer
mehr allgemeineren Weise durch die verschiedenen
Uniformen erreicht wird. Aus dieser Aufgabe des
W appens resultiert von selbst die erste Regel der
Heraldik: Die zum Wappenbilde benützten Figuren
sind einfach und klar, aber auch grell in der Farbe
darzustellen, damit die gewählten Figuren schon von
ferne deutlich und sicher erkennbar sind.
Die heraldische Kunst bringt nur Typen in präg-
nanter Form, niemals naturalistisch - portraitähnliche
Bilder zur Darstellung; sie stilisiert in ihrer Weise das
Objekt, sie fasst das Bild stets im ornamentalen Sinne
auf, wird dadurch selbst ein Teil der Ornamentik und
ist deren Stilgesetzen unterworfen.
Die Stilperioden der Heroldskunst schliessen sich
jenen der Architektur so ziemlich an, obwohl die
Heraldik, eine der konservativsten Künste, sich ihrer
eigenartigen Natur gemäss viel schwerer neuen Formen
anbequemt als irgend eine andere Kunst. Am längsten
währt die Zeit der Gotik; in diese Stilperiode fällt
die Entwicklung und die höchste Blüte der reinen
Heraldik und die Formen aus jener Zeit sind als die
besten und edelsten Muster zu betrachten.
Die Lebende Heraldik umfasst die alt- oder friih-
gotische Stilperiode: von der zweiten Hälfte des XII.
bis fast zur Mitte des XIV. Jahrhunderts; und die rein
gotische Stilperiode: von der Mitte des XIV. bis zur
Mitte des XV. Jahrhunderts.
Die Tote Heraldik oder Wappenzierkunst umfasst
die spätgotische Stilperiode: von der Mitte des XV.
bis zum Beginn des XVI. Jahrhunderts, die Periode der
Renaissance: vom Anfang bis zum Ende des XVI. Jahr-
hunderts. Mit der Periode der Spätrenaissance, der
ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts, und der zweiten
Hälfte des XVII. Jahrhunderts beginnt der rapide Ver-
fall der heraldischen Kunstthätigkeit, die erst in der
zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts sich wieder zu er-
holen begann und gepflegt von Fachgelehrten und
Vereinen, sowie einer allerdings kleinen Schar von
Künstlern, langsam wieder die Höhe zu erreichen sucht,
auf der sie einst geprangt hatte.
Ueber die heraldischen Tinkturen, die Metalle und
Farben, giebt Tafel VI die nötigen Aufschlüsse, nur sei
hier noch bemerkt, dass ein heraldisch gut komponiertes
Wappen wenige Tinkturen besitzen soll.
»J mer ein schilt der varwe had«
»J minner der wappin werdit geacht«
sagt Joh. Rothe in seinem Ritterspiegel. Die alte Zeit
kannte überhaupt nur sechs heraldische Tinkturen: Gold oder Gelb, Silber oder Weiss, Rot, Blau, Schwarz
und das seltener erscheinende Grün.
Der österreichische Herold Peter Suchenwirt (1356
bis 1395) betont ausdrücklich diese Sechszahl der
Tinkturen:
»Der schilt der was quartieret rein
mit den pesten varben tzweyn
dy von den sechseti chomen sein.«
Ueber den Gebrauch dieser Wappenfarben seien
hier einige Notizen angeschlossen :
Gold kann durch Chromgelb ersetzt werden und
wird auch mit dieser Farbe aufgehellt; als Schatten-
farbe dient Sepia. Wird Chromgelb an Stelle des Goldes
verwendet, so wird auch Silber durch Weiss ersetzt,
das auch zum Aufhellen dieses Metalles benützt wird.
In der englischen Heraldik wird Silber wenig angewandt,
sondern gewöhnlich Weiss dafür eingesetzt. Als Schatten-
farbe dient Neutraltinte. Rot wird mit hellem Zinnober,
dessen Lichter mit Menninge oder Chromgelb, dessen
Schatten mit Karmin hergestellt. Bei Wappen im Stile
des XII. und XIII. Jahrhunderts verwende man Menninge
statt Zinnober und helle die Lichter mit Chromgelb
auf. Blau male man mit Kobalt oder Ultramarin mit
Weiss gemischt, das auch zum Aufhellen benützt wird,
während Preussischblau als Schattenfarbe dient. Grün
wird mit Schweinfurter oder Mitisgrün hergestellt, mit
Deckweiss oder Chromgelb aufgehellt und mit Saftgrün
schattiert. Zum Aufhellen von Blau und Schwarz kann
man Silber, von Rot und Grün auch Gold verwenden,
jedoch nur in sehr zarter Linienführung und in einem
beschränkten Masse.
Den Herolden und Wappendichtern des Mittel-
alters waren die einfachen Farbenangaben, wie Rot,
Grün u. s. w. zu wenig poetisch
und prunkhaft, sie ersetzten das
Gold durch den Topas, das Silber
durch die Perle oder »meergries«,
Rot durchRubin, Blau durchSaphir,
Grün durch Smaragd und Schwarz
durch den Zobel (davon das Wort
»sable«). Als Beispiel diene die
Blasonierung im Wappenbriefe
des alten Ortes Mödling bei Wien
aus dem Jahre 1458 (Fig. 32).
»mit namen ain Schilt gleich getailt in fasse,
»des ober vnd maister tail von Rubin auch mit ainer
>fasse von Berlein, der under thail von grünt des
»Schilts von Schmaragaden, darinne ain Pantel von
»Silber in Rampannt« — d. h. von Rot und Grün ge-
teilt, oben eine silberne Binde (fasse oder vasch), unten
ein silberner, aufspringender (rampant) Panter.
Auch die Planeten und als Abbreviaturen ihre Zeichen
kommen hie und da zur Anwendung, so für Gold die
Sonne, für Silber der Mond, für Rot der Mars, für
Blau der Jupiter, für Grün die Venus, für Schwarz der
Saturn und für Purpur der Merkur.
Ausser den sechs einfachen heraldischen Tinkturen
bringt Tafel VI auch die zusammengesetzten Tinkturen,
das heraldische Pelzwerk zur Darstellung.
Schon im frühesten Mittelalter findet man bei allen
Völkern eine grosse Vorliebe für kostbare Tierfelle,
besonders aber in den westlich gelegenen Ländern
Europas. So waren bei den Franken Fischotter- und
Marderfelle, bei den Burgundern das Biberfell, bei den
Deutschen das Marderfell sehr beliebt.
Besonders die Engländer trieben mit dem Pelz-
werke grossen Luxus und ihre Vorliebe für diesen
Schmuck hat sich in ihrer Heraldik bis auf den heutigen
Tag erhalten. Auch die deutschen Ritter trugen sel-
tene kostbare Rauhwerke, so dass es sogar die Ver-
wunderung des in Ueppigkeit und orientalischer Pracht-
entfaltung schwelgenden Hofes von Byzanz erregte.
Fig. 32. Mödling.
Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika