Seite - 8 - in Heraldischer Atlas - Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
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Man besetzte nicht allein die Innenflächen (s. Fig. 35)
und Säume der Kleidungsstücke, die Mützen u. s. w.
mit den kostbarsten Tierfellen, sondern überzog damit
auch die Schilde. Die »Stückung« (stückeht), das Auf-
heften verschiedener Pelzarten war besonders beliebt.
Unter dem heraldischen Pelzwerke ist das Feh
(alt: vech) am interessantesten durch seine verschie-
denen Formen, die es in den verschiedenen Stilperioden
angenommen hat. Wegen der Aehnlichkeit seiner
Zeichnung mit dem alten Eisenhut des XIV. und XV.
Jahrhunderts, siehe Fig. 33, bekam dieses Rauhwerk
Fig. 33. Eisenhüte und natürliches Fell.
von den deutschen Heraldikern den Namen »Eisenhüt-
lein«, der später zu manch irrigen Auslegungen Ver-
anlassung gab. Eine im Archive des Stiftes Lilien-
feld in Niederösterreich befindliche Urkunde mit dem
Siegel eines Chunrad Pellifex, 1329, liefert den Beweis,
dass man zu jener Zeit das Feh in dieser Form stilisierte.
Der Name des Ausstellers »Pellifex«, zu deutsch: Wild-
werker (Kürschner), ist durch die rechtseitige Hälfte
des Schildes »redend« zum Ausdruck gebracht (Fig. 34).
Conrad der Wiltwerker war von 1340—1343 Bürger-
meister von Wien.
So wie die zu grosse Farbenzahl, die Buntheit
eines Wappens, dessen Deutlichkeit und Klarheit stört,
ebenso ungünstig wirkt das Neben- oder Aufeinander-
stellen von Tinkturen, die sich nicht genug von-
einander abheben. Man komponiere deshalb nicht
Metall mit Metall, nicht Farbe mit Farbe, sondern
Metall mit Farbe, weil diese Zusammenstellung stets
von guter Wirkung ist. Schwarz und Rot ist noch
annehmbar, doch Blau und Grün,
Blau und Rot, Gelb und Weiss
sind äusserst ungünstige Farben-
stellungen. Die natürlichen Farben,
z. B. Fleischfarbe, das Grün des
Blattes, des Baumes u. s. w., so-
wie die Pelzwerke sind von dieser
heraldischen Regel ausgenommen,
sie sind, wie die alten heraldischen
Schriftsteller sich ausdrücken, am-
Fig. 34- Siegel des Chun- p/libisch.
rad Pellifex, 1329.
Der Schild erhält heraldischen Charakter und wird
zum »heraldischen Schilde«, sobald seine Oberfläche
mit farbigen Bildern bedeckt wird, die als besondere
Merkzeichen die Person des Schildträgers kenntlich
machen. Aus dem blossen Kampfschild wird zugleich
ein Wappenschild. In der letzten Hälfte des XII. Jahr-
hunderts trug man sehr hohe, oben abgerundete und
ausgebogene, sogenannte normannische Schilde, so dass
der Träger seine ganze Person damit decken konnte.
Mittelst der »Schildfessel«, einem Bande, konnte der
Schild auch am Rücken getragen werden. Fig. 35
zeigt den Normannenschild des Gottfried Plantagenet,
Orafen von Maine und Anjou (f 1149) auf einer Email-
tafel im Museum zu le Mans. Der blaue Schild ist
mit sechs, 3, 2, 1 gestellten goldenen Löwen geschmückt.
In der Wappenzierkunst fanden diese Schilde,
trotzdem sie zu den heraldischen Schildformen zu zählen sind, doch keine weitere Anwendung. Die
letzten Jahre des XII. und die ersten Jahre des XIII.
Jahrhunderts reduzieren die Schildhöhe und die Aus-
buchtung auf ein geringeres Mass. Der Prunkschild
vom Seedorf, Tafel VIII, Fig. 1, kann als Beispiel dieser
Schildform dienen. Mit dem Beginne des XIII. Jahr-
hunderts kommt der Dreieckschild, dieses echte Kind
der Gotik, zur Herrschaft und erhält sich darin fast
200 ]ahre lang. Die Dreieckschilde waren anfangs
von halber Manneshöhe und stark convex, später wurden
sie kleiner und weniger gewölbt. Das Verhältnis der
Höhe zur Breite entsprach circa 10:7.
Interessante Originalschilde, wenn auch blosse
Prunkschilde aus dem XIII. Jahrhunderte bietet die
Elisabethkirche zu Marburg in Hessen. Es sind die Schilde
des Landgrafen Kon-
rad (f 1241) und
Heinrich von Thü-
ringen (f 1298).
Der Schild Konrads
(Fig. 36) ist 90 cm
hoch und 74 cm breit,
jenerHeinrichs 78 cm
hoch und 60 cm
breit. Der Schild
Konrads des Land-
grafen vonThüringen
und Hochmeisters
des deutschen
Ordens zeigt den
Löwen von Thü-
ringen, rot und weiss
gestreift, auf blauem
Grunde, unten zwi-
schen den Hinter-
füssen ein kleines
Schildchen mit dem
Wappen des deut-
schen Ritterordens.
Von der Krone des
Löwen sind nur mehr
die Nägelspuren vor-
handen. Der Kör-
per des Löwen ist
in Lederpressung
hergestellt, die gel-
ben Krallen mit dem
Pinsel angesetzt. Als
Auge diente wahr-
scheinlich ein Edel-
stein.
Die Herstellung und Dekoration der Schilde lag
zumeist in der Hand der Maler, der sogenannten
»Schilter«, die ausser dem Schilde und Kleinode auf
dem Helme auch das Reitzeug besorgten, weil ja auch
dieses heraldisch dekoriert wurde. Manche dieser
Schilterzünfte errangen sich weitverbreiteten Ruf und
genossen in der damaligen Welt ein bedeutendes An-
sehen. (Wappen der Schilter, s. Tafel LIII, Fig. 10.)
So erzählt uns die Geschichte von einer berühmten
Malerzunft am Niederrhein (1212), von kostbaren
Schilden, die von den Schilterern zu Paris geliefert
wurden, 1260, u. s. w. Auch in Wien war eine solche
nicht unbedeutende Schilterzunft zu Hause und das
Wiener Stadtarchiv enthält aus dem XV. Jahrhunderte
einige diesen Gegenstand behandelnde Schriftstücke.
So heisst es z. B., das Meisterstück der Gesellen be-
treffend, in einer Ordnung der St. Lukaszeche vom
28. Juni 1446:
— »Item ain Schilter sol machen vir newe Stukch
mit sein selbs hand, ain Stechsatl, ain prustleder, ain
Rosskoph und ain stechschilt das sol er tun in acht
wochen und soll auch das mit sein selbs hand malen
kunnen als es Ritter und Knecht an Jn vordernt.«
Fig. 35. Gottfried Plantagenet (+ 1149).
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Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika