Seite - 11 - in Heraldischer Atlas - Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
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Schnäbel, Krallen, Hörner, Hufe u. s. w. mit von den
Körpern und Schildfarben abweichenden Tinkturen ver-
sehen, um diese Waffen leichter kenntlich zu machen
und dadurch den kriegerischen Charakter, der durch
die wildblickenden Augen, den aufgerissenen Rachen
und die kampfbereite Stellung bereits markiert wird,
noch besonders hervorzuheben.
Fig1. 51. Böhmen.
Buchstaben oder ganze Worte als Wappenfiguren
in den Schild zu setzen, ist nicht zu empfehlen, wenn-
gleich derartige Figuren hie und da selbst in alten
Wappen nachzuweisen sind. So führen z. B. die Althann
(Schwaben) in Rot einen silbernen Querbalken, belegt
mit einem gotischen A in schwarzer Tinktur, die Holz-
hausen von Horn (Bayern) im von Silber und Blau ge-
spaltenen Schilde ein goldenes H, die Scybolt (Nürn-
berg) in Rot ein silbernes S, die Vöhlin (Augsburg)
in Silber einen schwarzen Balken belegt mit drei sil-
bernen P nebeneinander (s. Taf. XII), die Zackrciss
von Markikoven (Bayern) in Schwarz einen silbernen
Balken mit dem Worte »lieb« in roten Minuskeln u. s. w.
Fig. 52. Parteneck. Fig. 53. Cammer. F"ig. 54. Cammerberg.
Die Unverblümtheit und Nüchternheit der Schrift
entspricht nicht dem symbolisierenden Wesen der echten
Heraldik. Ebensowenig heraldischen Wert besitzen die
alten Haus- und Hofmarken, wie solche von Grund-
besitzern, Kauf- und Werkleuten zur Kennzeichnung
ihres Besitztums, ihrer Waren und Erzeugnisse ver-
wendet werden. Diese Marken, rein lineare Bildungen,
wurden später auch auf heraldischen Boden übertragen,
indem bürgerliche Familien, in den Adelstand erhoben,
ihre Hausmarken als Wappenfiguren in den Schild auf-
nahmen und als Kleinod auch auf den Helm setzten.
Wappen, die durch ihre Figuren den Namen des Wappen-
herrn ganz oder teilweise wiedergeben, nennt man
»redende« oder »halb-
redende« Wappen,
man sehe die Figuren
18, 20e, 21a, 21 f, 34,
41, 47, 48, 49, 52
u. s. w.
Fig. 55. Hilgerts- z d e n
Schildbil-hauser.
dem ist auch eine
Gruppe von Figuren zu zählen, die im Schildfelde oder
auf der Schildfigur selbst, auf der Kleinodfigur am
Helme oder auf den Schildhaltern angebracht, als be-
Fig. 56. Miissen-
hauser. sondere Merkzeichen der sonst ganz gleichen Wappen
einzelner Zweige oder Linien eines Geschlechtes, oft auch
einzelner Personen einer und derselben Linie dienen.
Diese Figuren nennt man Beizcichcn oder Brüche, engl.
Marks of Cadency oder Differcnce, franz. Brisures.
In der deutschen Heraldik sind derartige Zeichen
sehr selten zu sehen. Um abzweigende Geschlechter
kennbar zu machen, änderte man entweder bloss die
Farbe, siehe z. B. die Wappenschilde der von den
bayrischen Parteneck abstammenden Geschlechter, Fig.
52 — 56, oder man
änderte die Schildfigur
allein, wie z. B. in
den Wappen der Frei-
berg, Fig. 57 u. 58.
Die alten Freiberg in
Schwaben führten
F'fn einen von Silber und ^ i ^ y e ^ *
Blau geteilten Schild,
unten drei goldene Scheiben oder Kugeln, Fig. 57.
(Freiberg mit den Dottern genannt.) Eine nach Bayern
ausgewanderte Linie führte dagegen an Stelle der
Scheiben ebenso tingierte Sterne (Freiberg mit den
Sternen) Fig. 58. (Siehe Taf. LXVII Fig. I.)
Auch durch Vermehrung oder Verminderung der
Schildfiguren, durch Aenderung der Stellung derselben
u. s. w. suchte man abzweigende Nebenlinien kennt-
lich zu machen.
Eine besondere Durchbildung erfuhr das Beizeichen-
wesen in der englischen und französischen Heraldik,
siehe Tafel XVII, wo eigens zu diesem Zwecke er-
fundene Zeichen in Anwendung kommen.
In alter Zeit benützte die englische Heraldik als
Beizeichen, Marks of Cadency, den Schrägbalken (Bend),
das Viertel (Canton), s. Taf. VI Fig. 32, den Bord
und den Turnierkragen (File oder Label) mit drei oder
auch mehr Lätzen (Points) Fig. 59.
L
Fig. 59. Turnierkrägen.
Der Turnierkragen (franz.: lambeau), schon um
die Mitte des XIII. Jahrhunderts nachweisbar, siehe Taf.
XVIII, Fig. 10, steht im Haupte des Schildes und wird
über die Schildfiguren hinweggezogen. Die alte Form
zeigt ein schmales, von Rand zu Rand laufendes Band,
an dem die breiteren, ziemlich langen Lätze angesetzt
sind. In späterer Zeit erscheint der Turnierkragen
schwebend, die Lätze werden kürzer und erhalten breite
Enden — (dovetail-Taubenschwänze). Die Lätze werden
auch mit Figuren belegt (siehe Taf. XVIII', Fig. 24),
um das Beizeichen nochmals zu markieren (Sous-
brisures), d. h. um Familienzweige, die den Turnier-
kragen gemeinschaftlich führen, abermals zu unter-
scheiden.
Die englische Königsfamilie bedient sich ausschliess-
lich des Turnierkragens als Mark of Cadency, wobei
die einzelnen Glieder der Familie durch eigene Diffe-
renzier - Marken kenntlich gemacht werden. Seit
Fkluard III. führt der jeweilige Kronprinz, Prinz von
Wales, einen silbernen, dreilätzigen Turnierkragen über
seinen Wappenschild gezogen; der Herzog von Edin-
burgh denselben Turnierkragen, den Mittellatz mit einem
roten Kreuzchen, die Seitenlätze je mit einem blauen
Anker belegt. Der Herzog von Connaught führt
denselben Kragen, die Anker durch blaue Lilien, der
Herzog von Albany durch rote Herzen ersetzt. Der
Herzog von Cambridge ersetzt die Anker durch je
zwei Herzen u. s. w.
Auch die Damen tragen derartige Turnierkragen
in ihren Wappen. So führt die »Princess Royal«, die
Kronprinzessin, im Mittellatze eine rote Rose, in den
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Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika