Seite - 23 - in Heraldischer Atlas - Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
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spricht zuerst den Schild an, dann den Helm mit
seinem Kleinode und seiner Decke oder die Rangkrone;
nun folgen die Orden oder andern Würdezeichen, die
Schildhalter und Fahnen, der Wahlspruch und am
Schlüsse der Wappenmantel oder das Wappenzelt.
Der Schild wird in folgender Weise blasoniert: zuerst
die Tinktur des Feldes, eventuell die Zahl der Figuren,
die Tinktur derselben, der Name der Figuren. Z. B.
in Blau drei silberne Rosen. Alle jene Dinge, die sich
gewissermassen von selbst verstehen, wie die Rechts-
wendung der Figuren, die rote Zunge der Tiere, das
Gold der Kronen u. s. w., braucht nicht eigens gemeldet
zu werden. Man beschränkt sich bei der Blasonierung
auf das Notwendigste, doch müssen Ausnahmen, wie
z. B. die Linkswendung einer Figur, blaue oder rote
Kronen, selbstverständlich gemeldet werden. Die heral-
dische Terminologie ist, wie leicht begreiflich, eine
ziemlich reichhaltige; ein Aufzählen aller Kunstaus-
drücke gestattet weder der beschränkte Raum, der
hier dem Texte zugewiesen ist, noch dürfte es absolut
notwendig sein, weil die Tafeltexte ohnehin ein reiches
Material bieten.
Die Blasonierung in der englischen Heraldik ist
der deutschen ähnlich. Auch hier wird die Tinktur
des Feldes zuerst angesprochen, dann folgt die Figur
und deren Tinktur. Z. B. in Rot ein Löwe golden.
Eigentümlich ist die Blasonierung der Tinkturen, wenn
im Wappen mehrere sich wiederholende Tinkturen
vorkommen. Die verschiedenen Tinkturen werden in
einem solchen Falle der Reihe nach numeriert und
bei Wiederholungen einfach durch die Nummer be-
zeichnet. Z. B. deutsch: gespalten von Rot und Gold;
vorne ein goldenes Kreuz, von silbernen Scheiben be-
winkelt, rückwärts ein roter Hirsch mit schwarzen
Stangen, belegt mit einem silbernen Halbmonde. Eng-
lisch : gespalten von Rot und Gold; vorne ein Kreuz
von der zweiten, bewinkelt von Scheiben silbern, rück-
wärts ein Hirsch von der ersten mit Stangen schwarz,
belegt mit einem Halbmonde von der dritten. Bei
der Blasonierung felderreicher Wappen dürfte diese
Numerierung wohl kaum von grossem Vorteile sein.
Die französische Art der Blasonierung ist bedeutend
kürzer als die deutsche; der Franzose giebt in einigen
Worten das, wozu der Deutsche mehrere Sätze be-
nötigt, aber was da an Worten erspart wird, geht
doch auch an Klarheit verloren.
Zum Schlüsse seien uns noch einige Worte über
den Wert der Sphragistik oder Siegelkunde für unsere
Wissenschaft und Kunst der Heraldik gestattet. Zum
Studium dieser historischen Hilfswissenschaft sind sphra-
gistische Kenntnisse unerlässlich, weil die Siegel für
die alte Zeit oft die einzige Quelle bilden, aus der man
schöpfen kann, nachdem von alten Wappenzeichnungen
und Malereien verhältnismässig doch nur sehr spärliche
Reste auf uns gekommen sind.
Das Siegel vertrat im Mittelalter die Unterschrift,
eine Urkunde ohne Siegel war vollständig wertlos.
Daraus folgt von selbst die hohe Bedeutung der Siegel,
aber auch die Verlässlichkeit der auf diesen erscheinen-
den Wappenbilder. In späterer Zeit verliert sich aller-
dings diese Verlässlichkeit der Siegel, wo durch die
Unwissenheit der Siegelstecher so manches Wappen-
bild arg corrumpiert wurde und durch falsche Auf-
fassung aus guten alten Wappenbildern oft die sonder-
barsten Neubildungen entstanden sind, die mit den
alten Figuren nicht den geringsten Zusammenhang mehr besitzen. Ein damaszierter Schrägbalken ver-
wandelte sich in eine Leiter, eine Blume von Daumen
und Zeigfinger gehalten in einen Diamantring u. s. w.
Wer Heraldik einigermassen gründlich studieren
will, wird sehr bald zur Einsicht kommen, dass er
ohne ein sphragistisches Vorstudium niemals zum Ziele
gelangen kann, und die Anlage einer, wenn auch der
Quantität nach bescheidenen Siegelsammlung wird die
unwillkürliche Folge dieser Studien sein. Abgüsse
mustergültiger Formen aus der Zeit des Mittelalters
und der Renaissance sind bei der Liberalität unserer
Archivverwaltungen nicht so schwer zu erlangen und
auch auf privatem Wege lässt sich manches interessante
Stück erwerben, wenn der Sammler Abgüsse selbst
zu machen versteht.
Die einfachste Art Siegel abzuformen ist folgende:
Man legt ein Blatt feinen Stanniols (Zinnfolie) auf das
Siegel und drückt es mit einer mittelweichen Bürste
oder Pinsel an. Man erhält auf diese Weise ein Negativ,
das die zartesten Details wiedergiebt und das man, rück-
wärts durch einen Aufguss von Wachs oder Stearin
verstärkt, zur Herstellung von Gipsabgüssen verwenden
kann. Zur Anfertigung von negativen Formen eignet
sich auch das Plastilin sehr gut. Man pudert zuerst
das Siegel mit Federweiss etwas ein und drückt vor-
sichtig und allmählich das zuerst weich geknetete
Plastilin an die Siegelfläche an. Das Plastilin giebt
ebenfalls sehr scharfe Abdrücke.
Gipsabgüsse von Originalsiegel zu machen ist eine
etwas umständlichere Arbeit, aber doch nicht so schwierig,
dass man mit einiger Vorsicht nicht damit zu stände
kommen sollte.
Zuerst reinigt man das Original mittelst eines
weichen Pinsels mit Seifenwasser und klebt mit Wachs
einen Streifen starken Papiers an den Rand des Siegels,
damit der aufgegossene Gips nicht abfliessen kann.
Noch während das Siegel feucht ist, giesst man lang-
sam die Gipsmasse (Alabastergips) auf und lässt nun
das Ganze gut austrocknen. Das abgehobene Negativ
wascht man dann entweder mit Seifenwasser oder über-
zieht es mit Schellack, bevor man es zum weiteren
Giessen der positiven Form verwendet. Bei zerbrochenen
Siegeln ist es vorteilhaft, zuerst ein Stanniolblättchen
aufzudrücken, um das Eindringen des Gipses in die
oft sehr feinen Spalten und Risse zu verhindern.
Mit dem Gipsnegativ lassen sich auch sehr hübsche
Lackabdrücke erzielen, wenn man die Form zuerst so
lange in das Wasser legt, bis keine Luftblasen mehr
aufsteigen. Das so mit Wasser gesättigte Negativ wird
mit Fliesspapier abgetrocknet und gleich einem Typar
in das geschmolzene Siegellack gepresst. Man kehre
dann sofort das Ganze um, so dass das Siegellack oben
zu liegen kommt und infolge der Schwere in die feinsten
Vertiefungen des Negativs von selbst hineinsinkt.
Sollte das Negativ sich wider Erwarten nicht ab-
heben lassen, so erwärme man etwas den Boden der
Gipsform. Der sich entwickelnde Wasserdunst löst so-
fort das Negativ vom Positiv.
Hiermit schliessen wir die kurze Abhandlung über
die Elemente der Heraldik. Sie ist selbstverständlich
nicht alles umfassend und erschöpfend, sie bietet, er-
gänzt durch die Textblätter der Tafeln, nur das, was
für den Hausgebrauch unumgänglich notwendig ist.
Der Hauptwert des Atlasses liegt in den Abbildungen;
die Einleitung, eine kurzgefasste Abhandlung über
die Elemente der Heraldik, soll nur ein Bindemittel
zwischen den einzelnen Tafeln sein.
Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika