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Tafel VIII.
D e r L ö w e .
Der Löwe, das Symbol der Macht, des Dominiums,
der Tapferkeit, findet sich schon in vorheraldischer
Zeit auf den Schilden der Krieger und gehört, wie der
Adler, zu den ältesten Wappenfiguren. Er wurde im
Laufe der Jahrhunderte, dem jeweiligen Stile ent-
sprechend, verschiedenartig gebildet und die hier
folgenden Schemas und Figuren mögen dem Leser ein
beiläufiges Bild der Entwicklung seiner Körperform
geben. Wie leicht begreiflich, lässt sich die Giltig-
keitsdauer dieser Schemas nicht zwischen feststehen-
den Jahreszahlen einzwängen, doch dürften sie dem
Laien in der Heroldskunst trotzdem die Uebersicht
einigermassen erleichtern.
Bis etwa zur zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts
erscheint der Körper des Löwen gerade aufgerichtet
(»zum Grimmen geschickt — rampant«), so dass der
Kopf, der Rumpf und die linke Hinterpranke in die
Schildachsen fallen. Die linke Vorder-
pranke ist wagrecht, die rechte Vorder-
und rechte Hinterpranke schräg aufwärts
gestellt. Die Pranken endigen je in
drei kleeblattartig gestellte Knöpfe, aus
welchen die Krallen hervorkommen.
Die vierte, oder Afterzehe, tritt etwas
später auf. Der Rachen ist geschlossen
oder nur sehr wenig geöffnet, ohne dass
die Zunge sichtbar wird. Der Schwanz
(Zagel) erscheint in der Mitte durch ein Haarbüschel
verdickt und wird körperwärts eingeschlagen.
Im Laufe der zweiten Hälfte des
XIII. bis zur zweiten Hälfte des XIV. Jahr-
hunderts senkt sich die rechte Hinter-
pranke, so dass sie mit der linken einen
rechten Winkel bildet. Die Schnauze
wird spitz, die Zunge in der zweiten
Hälfte dieser Periode sichtbar. Der
Schwanz zeigt nahe seiner Wurzel einen
Knoten.
Die zweite Hälfte des XIV. und das
XV. Jahrhundert zeichnet den Löwenkörper nicht mehr
pfahlweise gestellt, sondern legt dessen Kopf nach links
zurück, so dass die rechte Vorderpranke mit dem
Rumpfe in eine schräg aufsteigende
Linie fällt. Die Zehen werden finger-
förmig verlängert und auseinander
gespreizt; der Schwanz, mit flammen-
artigen Haarbüscheln besetzt, schlägt
sich nach auswärts und verliert den
früher erwähnten Knoten, der nur
beim Doppelschwänze sichtbar bleibt.
Der Rachen wird tief und weit auf-
gerissen, wobei sich die Brust knollenartig unter dem
Unterkiefer vorschiebt.
Treten in einem Schilde zwei oder mehrere Löwen
übereinander auf, so müssen sie, um Platz zu finden,
der aufrechten Stellung entsagen und sich zum Schreiten
bequemen. Wird solch ein schreitender Löwe mit en
face gestelltem Kopfe abgebildet, so bezeichnen manche
das Tier mit dem Ausdrucke „Leopard". (Fig. 13.)
Heraldiker des vorigen Jahrhunderts hatten sich noch
weitere, etwas sonderbar klingende Bezeichnungen für Fig. 14. Schärtlin von
Burtenbach.
den Löwen zurecht gemacht; so hiess ein aufgerichteter
Löwe mit en face gestelltem Kopfe ein „leopardierter
Löwe" — Lion Leopard^ — (Fig. 3. 4. 9) und ein
schreitender mit en profil gestelltem Kopfe ein „ge-
luvter Leopard" — Leopard lionne (Fig. 17). Diese
Termini technici hatten aber keine lange Lebensdauer.
Einen sitzenden — gckriipftcn
— Löwen zeigt Fig. 14, aus Jost
Amman's Wappen und Stammbuch
(1589). Es ist das Wappen des be-
rühmten Landsknechthauptmanns
Sebastian Schärtlin (Schertel) von
Burtenbach, — in Rot ein gekriipfter,
doppelschwänziger, goldener Löwe
en face, einen silbernen Schlüssel und
eine entwurzelte, goldene Lilie in
den Pranken haltend. Sein sieg-
reicher Sturm auf Rom 1527, sowie seine Erfolge gegen
Frankreich, 1532, kommen in diesem 1534 verliehenen
Wappen in redender Weise zum Ausdrucke.
Die historischen Notizen zu den Figuren der Tafel VIII
sind hier nicht nach der Reihenfolge auf der Tafel, sondern
chronologisch angeordnet.
Fig. I. Prunkschild aus dem Frauenkloster See-
dorf \m Canton Uri, aus der ersten Hälfte des XIII. Jahr-
hunderts. (H. = 98 5 cm.) Der Schild zeigt in Blau
einen silbernen Löwen, der teilweise erhaben aus dem
Kreidegrund des Schildes modelliert ist. Im Schildfuss
erscheint ein silbernes Viereck. Der Schild ist 1 cm
stark, aus Tannenholz gefertigt, vorne mit Pergament,
hinten mit Leder überzogen. Die vorne sichtbaren
Nägel dienten zur Befestigung der Schildfessel und
Armgestelle. Seedorf, ursprünglich ein Männerkloster,
wurde 1184 von Arnold v. Briens gestiftet und es ist
immerhin möglich, dass dieser Schild einem Angehörigen
dieser Familie zugehörte.
Fig. 2. Löwe aus dem Siegel des »KARVLVS •
DE • GVTRAT« vom Jahre 1231.
Fig. 9. Löwe aus dem Siegel des Heinrichs von
Silberberg (Kärnten) 1249. Die Legende lautet: SI-
G1LLVM • HEINRICI • DE • SILBERBERCH; wahr-
scheinlich in Rot ein goldener Löwe, unterzogen von
einem silbernen Schrägrechtsbalken.
Fig. 10. Löwe aus dem Siegel des »TANCREDI •
DE • ROSCIANO.
Fig. 3. Löwe aus dem Siegel eines Schenk von
Hausbach (Nied.-Oest.) vom Jahre 1250. Die Siegel-
legende lautet: S • HEINRICI • DE
HAVSPACH• PINCERNE. In Silber
ein rot gekrönter, schwarzer Löwe.
Das Wiener Minoriten-Necrologium
(Verzeichnis der im Kloster der
Minoriten beigesetzten Gönner die-
ses Ordens), um die Wrende des
XIV. Jahrhunderts angelegt, ent-
hält nebst vielen anderen Wappen-
bildern auch das Wappen eines
Schenken von Hausbach (Fig. 15)
mit einer vorzüglich stilisierten
Löwenfigur. Fig. 15. Ulrich der
Schenke von Hauspach.
Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika