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Tafel IX.
D e r A d l e r .
Wie der Löwe ist auch der Adler ein Symbol der Macht
und zwar der Oberherrschaft, des Imperiums, und erleidet
in der Zeichnung eben solche Wandlungen wie die Figur
des Löwen. Im XII. und XIII. Jahrhunderte erscheint der
Adler mit emporgerichtetem Haupte und geschlossenem
Schnabel. Die Sachsen (Flügelknochen) sind an den
Enden schneckenförmig eingerollt, die Schwingen, gleich
den Fängen, senkrecht nach abwärts gerichtet. Der
Schwanz, aus einem Bündel straffer Federn gebildet,
entspringt öfter aus einem Knopfe, wie
ihn auch noch die Züricherrolle (Taf. XXL
Fig. 2 und 6) und Fig. 11 der vorliegen-
den Tafel zeigt. Siehe die nebenstehende,
schematische Figur 13.
Mit dem Ende des XIV. Jahrhun-
derts stellt sich der Kopf gerade, es
jq. öffnet sich der Schnabel und die Zunge
/ | \ wird sichtbar. Die Einrollung der Sachsen
F. l3 verschwindet allmählich und die Fänge
bilden mit der Körperachse einen spitzen
Winkel, auch erhalten hie und da die Fänge die Ober-
schenkel bekleidende »Hosen«. Die Schwanzfedern laden
sichelförmig aus. (Fig. 14.)
Das XV. Jahrhundert zeigt den Adler mit halb-
kreisförmigen Sachsen, radial gestellten Schwingen und
einen rechten Winkel bildenden Fängen.
(Fig. 15.) Das XVI. Jahrhundert giebt
dem Adler eine »wildbewegte« Zeichnung
und bildet ihn so viel als nur möglich
in ornamentaler Weise aus. Die Tafel
giebt einige Proben dieser Darstellungen,
die hier nicht nach der Reihenfolge auf
der Tafel, sondern chronologisch geord-
net ihre Erläuterungen finden.
Fig. 4. Adler aus dem Siegel des
Babenbergers, Heinrich von Mödling
(1158—1223), Sohn Heinrich Jasomirgotts, des Bruders
Herzog Leopolds des Tugendhaften, an einer Urkunde
vom Jahre 1203 im Stiftsarchive zu Heiligenkreuz in
Nieder-Oesterreich. Umschrift: »f HA1NRICVS«.
Fig. 3. Adler aus dem ältesten
Siegel der Stadt Wien an einer Urkunde
vom Jahre 1239. (D. d. Kreisfläche
= 57 cm.) Umschrift: »f SIGILLVM
CIVIVM VVINNENSIVM«.
Fig. 11. Adler aus dem Contra-
siegel Herzogs Bolco II. von Schlesien,
an einer Urkunde vom Jahre 1334. Um-
schrift : »f SIGILLVM • DVCIS • BOLCO-
NIS.« Der Adler ist mit einem Halbmonde
überzogen und trägt über den Kopf gestülpt einen
Topfhelm mit dem schlesischen Kleinode, zwei ge-
stielte, sich kreuzende Pfauenwedel, die seit dem Jahre
1290 im Hause der schlesischen Piasten üblich geworden
waren und den alten Pfauenstoss verdrängten. Fig. 5. Gewölbter, dreieckiger Prunkschild aus der
Mitte des XIV.Jahrhunderts in der Kirche Notre Dame de
Valere bei Sitten im Kantone Wallis (Schweiz) aufgefun-
den. (H. = 80 cm.) Er zeigt ein nicht näher bestimmbares
Wappen, einen silbernen Adler auf blauem Grunde;
der Schnabel ist leider abgebrochen. Die Machart ist
dieselbe wie bei dem Seedorfer Schilde der Tafel VIII.
Fig. 10. Wappenschild des Königreiches Böhmen.
Flachrelief am Grabmale Ottokars I. in der Sternberg-
schen Kapelle des St. Veitsdomes zu Prag, XIV. Jahr-
hundert. (H. = 52 cm.) Der schwarze, brennende
Adler im silbernen Felde war das alte Wappenbild von
Böhmen, das aber unter Przemisl Ottokar II. um die
Mitte des XIII. Jahrhunderts dem doppelschwänzigen
Fig. 14.
Fig. 15. Fig. 16.
„Hertzog von Callabrye".
Löwen weichen musste. Das freigewordene Adler-
wappen wurde später (1339) v o m König Johann von
Böhmen über Ersuchen des Bischofs Nicolaus von Trient
diesem Bistume geschenkt, von dem es auch heute noch
geführt wird.
Fig. 1. Adler aus einem italienischen Siegel des
XIV. Jahrhunderts. Umschrift: »f S- GOTTIFREDI •
AM ATORIS • D' • PREOTIS.«
Fig. 2. Gekrönter Adler aus einem herzförmigen
Siegel des Bartholomäus Ermanni von Ferugio, Ende des
XIV. Jahrhunderts. Das Siegel zeigt drei Wappen-
bilder : Die Schlüssel des Papstes, den Adler des deut-
schen Kaisers (vorliegende Abbildung) und das Fa-
milienwappen der Ermanni. Die Umschrift lautet: »S .
BTHOLOMEI • ERMANNI • DE • PERUSIO • MILITIS .
ET • LEGVM • DOCTORIS • PALATNI • COMITIS .
APOSTOLICI • ET • IMPERIALIS • (Einen Abguss
dieses eigenartig geformten Siegels besitzt das k. und
k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.)
Heraldischer Atlas
Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Titel
- Heraldischer Atlas
- Untertitel
- Eine Sammlung von heraldischen Musterblättern für Künstler, Gewerbetreibende, sowie für Freunde der Wappenkunde
- Autor
- H. G. Ströhl
- Verlag
- Julius Hoffmann
- Ort
- Stuttgart
- Datum
- 1899
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 22.6 x 33.6 cm
- Seiten
- 284
- Schlagwörter
- Heraldik, Heroldskunst, Wappenkunst
- Kategorie
- Lexika