Seite - 12 - in Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen - Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
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ISBN Print: 9783847110606 – ISBN E-Lib: 9783737010603
nendabeinurbedingtrelevant.DeutlichertragreicheristdievonderForschung
schonseit längeremherauspräparierteHerrschaftderDifferenz.6Als imperiale
MethodeundPolitikwar sie stetsumkämpftundseltenstabil. Sieumfasstedie
Institutionalisierung vonMethoden der Ausgrenzung undUnterordnung von
Menschen, die über einen bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Raum
sowohlfestgelegtalsauchreproduziertwurde.FrederickCooperdefiniert–ganz
breit –wie folgt: „Ein imperialer Staat ist eine Struktur, dieUnterscheidungen
zwischenKollektivenreproduziertundsiedabei inunterschiedlichemMaßder
Herrschaftsinstanzunterordnet.“7
Konkret heißt das, dass ein ImperiumdieHeterogenität undUnterschiede
aller Art zwischen seinen Untertanen betont und eine Integration nur auf
höchsterEbenestattfindet,wodieüblicherweiseübernationalen,adeligenEliten
davonprofitieren, die sichhäufigdurchkulturelleGemeinsamkeitenauszeich-
nen beziehungsweise diese anstreben. Die Masse der Untertanen erhält weit
geringere, abgestufte Partizipationsmöglichkeiten zugewiesen – weshalb die
MachtnichtvonderBasisherlegitimiert ist.8UngeachtetdessenstelltenWahlen
zumReichsrat inÖsterreich-Ungarneinewichtiges imperialesRitualdar–mit
teilweiseerstaunlichensupranationalenKoalitionenauflokalerEbene–,weilsie
zumindestdenEindruckeinerTeilhabeamImperiumvermittelten.Somachten
sichdieUntertanendasReich zuEigenundwidersprachengewissermaßenan
derWahlurnedemPropagandaschlagwortvom,Völkerkerker‘.9
Freilich: Längst nicht jede Stimmewar gleich viel wert, dennneben einem
sozioökonomischdeterminiertenKurienwahlrechtgabeszahlreicheVorbehalte
in Form derWahlbezirkseinteilungen oder ethnisch vorgegebener Sitzvertei-
lungenindenParlamenten.AusUngleichbehandlungenwiediesenentstehenin
allen Imperiennotwendigerweise Spannungen, die sichnicht seltengewaltsam
äußern, bei stabilen Staatsgefügen aber eine Art Balance erreichen, in der
Loyalität und Identifikation durch Zugeständnisse bedingt werden.10 Zentral
sinddafürwenigerdieRealitätenalsvielmehrdieVorstellungenvomImperium
–sie sindauchwichtiger alsdievonNationalismen,die letztlichnureinePosi-
tionierunggegenüberdemImperiumdarstellen –nicht zuletzt deswegen,weil
6 Vgl. hierzudie grundlegendeStudie vonParthaChatterjee, TheNationand its Fragments.
Colonial andPostcolonialHistories (PrincetonStudies inCulture,Power,History),Prince-
ton1993.
7 FrederickCooper,Kolonialismusdenken.KonzepteundTheorien inkritischerPerspektive
(Globalgeschichte, 2), [Übersetzung der engl. Originalausgabe 2007], Frankfurt amMain
2012,S. 58.
8 JürgenOsterhammel,DieVerwandlungderWelt.EineGeschichtedes19. Jahrhunderts,Bonn
52010,S. 607–610.
9 PieterM. Judson,TheHabsburgEmpire.ANewHistory,Cambridge2016,S. 3f.
10 Cooper,Kolonialismusdenken(wieAnm.7), S. 256–258.
BernhardBachinger /WolframDornik
/StephanLehnstaedt12
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Titel
- Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
- Untertitel
- Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Autoren
- Wolfram Dornik
- Bernhard Bachinger
- Stephan Lehnstaedt
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1060-3
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- KUK, K.U.K, Habsburg, Monarchie, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918