Seite - 64 - in Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen - Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
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© 2020, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847110606 – ISBN E-Lib: 9783737010603
breites Spektrum an sich schnell umbildenden politischen und ideologischen
StrömungensowieParteienmitsichveränderndenProgrammenundStrategien.
DochVorstellungenüber denUmbauderMonarchie, nach dem sich ihre his-
torischeMissionundderSinnihresSeinserfüllenwürden,bliebennachwievor
meist viel stärker imVordergrundalsdieVisionenseparaternationalerStaats-
gründungen.
ImErstenWeltkrieg,nochbevorseinAusgangfüralledeutlichwurde,schien
sichaberdasendgültigesScheiternderHoffnungenaufeine imperialeMission
derMonarchie imSinneihrerKulturnationenabzuzeichnen.Währendbeieiner
NiederlagedieDesintegration–zumindestdie endgültigeSezessionUngarns–
als beinahe sicher erschien, machten diemilitärischen ElitenÖsterreich-Un-
garnsmit ihremhartenDurchgreifennichtnurdiesituativenKompromissemit
nationalenpolitischenFührungenunmöglich,sondernsieverbargenauchnicht
ihr Interesse, aus Cisleithanien das zu machen, was es bisher nie war – ein
deutschnational dominiertes Reich. Im Siegesfall würde somit auch dieUnfä-
higkeit hinzukommen, die Völker gegen einen deutschen Expansionismus zu
schützen, dochebendaswar seit derMittedes 19. Jahrhunderts einederExis-
tenzberechtigungen des Habsburgerreiches aus Sicht der Sprecher der nicht-
deutschenNationen.Sogingendie imperialen ImplikationenundVisionen für
dieMonarchienochetwas schnellerunteralsdieMonarchie selbst.
Dennoch:Die imHintergrund stehende Idee, dass die sogenanntenkleinen
VölkereineFormsupranationalerIntegrationundZusammenarbeitbräuchten,
umsichfreizuentwickelnundgegendenExpansionismusdergroßenNachbarn
zu schützen, ging damit nicht unter. Davon zeugt etwa die Durchsetzung des
Jugoslawismus-Programms und die Zusammenführung der westbalkanischen
Slawen in einemStaat, die nach den kurz vor demKrieg formulierten Plänen
eines Teiles der kroatischen Führung sogar Bulgarien einbeziehen sollte – in
einer losenVerbindungmitHabsburg oder als eine große südslawische Föde-
ration für sich.48 Für die galizischen Polen bot scheinbar ein aus allen Tei-
lungsgebieten bestehender polnischerNationalstaat, an dessenGroßmachtpo-
tentialeauchdamalsfestgeglaubtwurde,einensicherenAusweg,ähnlichwieder
erweiterte rumänische Nationalstaat für die Rumänen aus Siebenbürgen und
anderen Teilen Ungarns oder die ukrainophilen beziehungsweise russophilen
Optionen fürdiegalizischenRuthenen.SogardieTschechensuchteneinebrei-
tereVerankerung, und zwarweitüber denRahmendesTschechoslowakismus
hinaus:DerspätereGründungspräsidentTom#sˇGarrigueMasaryk(1850–1937)
entwarf nochwährenddesKrieges (1915) das Projekt koordinierter Staatsbil-
dungenderTschechoslowakenundder Südslawen, derenGebiete durch einen
breitenterritorialenVerbindungskorridorüberWestungarnermöglichtwerden
48 Suppan,DieKroaten(wieAnm.33), S. 729. Milosˇ
Rˇezník64
Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Titel
- Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
- Untertitel
- Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Autoren
- Wolfram Dornik
- Bernhard Bachinger
- Stephan Lehnstaedt
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1060-3
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- KUK, K.U.K, Habsburg, Monarchie, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918