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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
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der Bildersturm der böhmischen hussiten 29 das einerseits mit dem Himmel und anderseits innerhalb der irdischen Gesellschaft Verbindung stiftete? Und welche Auswirkungen hat dieser Ansatz auf die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion zu Bildersturm und Bildgebrauch? Ikonoklasmus erscheint heute als ein besonders virulentes Forschungsthema, weil das Geschehen eindringlich die Grenzen zwischen der visuellen Wahrnehmung des Werks, dem davon ausgelö- sten rationalen und emotionalen Impuls und der körper lichen Aktion überschreitet. Wenn eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem hussi- tischen Bildersturm sinnvoll sein soll, muß sie die Wertungen der früheren Bearbeiter in Frage stellen – schließlich waren sie von der Situation bedingt, in der diese Autoren schrieben, und ant- worteten sie auf die damals aktuellen Problem- stellungen. Gleichzeitig muß die im engen Sinn geschichtswissenschaftliche Methodik um eine Analyse der Besonderheiten des spätmittelalterli- chen Bildes und seiner Rolle in der Gesellschaft des 15. Jahrhunderts ergänzt werden. Die visuell ausgerichtete Methodik ist dabei rückwirkend durch Standardansätze der kritischen Historio- graphie zu korrigieren. Der hussitische Ikonoklas- mus verdient erneute Aufmerksamkeit nicht nur, weil er wegen seiner Beziehung zu den folgenden bilderfeindlichen Ereignissen unangebrachter Weise als ein bloßer „Vorläufer“ präsentiert wur- de, oder weil er von den tschechischen Gelehrten als ein rein lokales Phänomen ohne Berührung mit den Erscheinungen im europäischen Umfeld behandelt wird. Als Untersuchungsgegenstand attraktiv macht ihn vor allem seine Sonderstel- lung. Allerdings kommt dem Hussitentum auch in manch anderer Hinsicht eine Sonderposition zu.8 Der Hussitismus ist nämlich eine spezifi- sche Form der Reformation (es wird als die erste Reformation bezeichnet), die sich einerseits von den frühen radikalen, aber auch gescheiterten Reformationsversuchen durch seine erfolgreiche Durchsetzung und seine gesellschaftlich wie poli- tisch erreichte Stabilität und Dauer abhebt, und die andererseits unter voll und ganz mittelalterli- chen Bedingungen der Kommunikation vor sich ging, d.h. ohne den Buchdruck – letzteres in mar- kantem Unterschied zur „großen“ Reformation. Die Beziehung zwischen der Reformation des 16. Jahrhunderts und dem Buchdruck ist nicht nur von der Möglichkeit geprägt, daß die neue Medientechnologie zur raschen Verbrei- tung von Texten genutzt werden konnte, mag dieser Aspekt auch von großer Bedeutung gewe- sen sein: Schließlich war das Medium aufgrund seiner Neuheit von den Machthabern in der Tat nur schwer kontrollierbar. Eine ähnliche Rolle im Siegeszug der Reformation spielte die zuneh- mende Schriftkenntnis der Stadtbevölkerung, die wiederum zu den Folgen der Verbreitung des Buchdrucks gehörte. Darüber hinaus ist ein weiterer Aspekt zu beachten, der mit der inne- ren Struktur der Reformation und ihres Erfolgs zu tun hat: Erst die Veränderung im Verständnis des Worts, welche das Aufkommen der typo- graphischen Kultur (im Sinn von Walter Ong)9 mit sich brachte, hat jenes für die Reformation konstitutive Konzept vom Wort als der einzig festen Grundlage der christlichen Lehre und des individuellen Glaubens möglich gemacht. Eben- so ist die Erfahrung mit dem typographisch dau- 8 Über das Hussitentum als eines der Schlüsselthemen des tschechischen historischen Gedächtnisses wird überwie- gend in tschechischer Sprache geschrieben. Eine zentrale neuere Bearbeitung mit ausgedehnter und kommentierter Bibliographie ist: F. Šmahel, Die Hussitische Revolution I–III (MGH-Schriften 43/I–III), Hannover 2002. Vgl. auch die umfangreiche Bibliographie in dem Sammelband Seibt, Jan Hus (zit. Anm. 3), S. 419–500 (verfügbar auch unter URL: http://www.collegium-carolinum.de/index.php?id=306&L=0&cHash=87fa6e0f147975a1a0b9535263e9 6e52&type=1 [20.09.2011]). Berichte über Bilder und Reliquien im Hussitentum sind zusammengefaßt bei O. Ha- lama, Otázka svatých v české reformaci, Brno 2002. 9 W. J. Ong, Orality and Literacy: The Technologizing of the Word. New Accents, New York 1982; vgl. auch E. L. Eisenstein, The Printing Revolution in Early Modern Europe, Cambridge 1983.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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