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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
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der Bildersturm der böhmischen hussiten 35 dete Göttliche nur verweist. Das nehmen ihnen die Ikonoklasten aber nicht ab, sie halten sie für naiv und leichtgläubig und bestehen darauf, daß sicherheitshalber alle bildlichen Zeichen zu ent- fernen sind.26 Paradoxer Weise sind es die Ikono- klasten, die an die tiefe und feste Verbindung zwi- schen dem Bild und dem Abgebildeten glauben, während das Bild für die Ikonodouloi nichts als ein signum ist. Die Forschung hat bereits erkannt, daß der byzantinische Ikonoklasmus „von oben“ durch- gesetzt wurde, daß kirchliche und weltliche Herrschaftsträger ihn angeordnet hatten, wäh- rend die Massen bzw. die nicht-privilegierten und ungebildeten Schichten, insbesondere Frau- en und Mönche, grundsätzlich dagegen waren. Chris Barber hat neuerdings die Texte zum Bil- derstreit im 8. Jahrhundert noch einmal kritisch gelesen und festgestellt, daß es zum tatsächlichen Angriff auf die heiligen Bilder und zu ihrer Zer- störung nicht im Zug einer Massenbewegung kam, vielmehr wurden sie auf höheren Befehl entfernt.27 Die gesamte byzantinische Krise der Ikonen sieht Barber als Folge jener Situation, die im 7. Jahrhundert eingetreten war, als die Ikonen aus den intimen Räumen privater Frömmigkeit in den öffentlichen Raum der Kirchen gefunden hatten und nach Eingliederung in die Liturgie verlangten. In dieser Situation wurde den christ- lichen Ikonen nämlich unversehens eine ausge- klügelte theologische Begründung ihres Wesens und ihrer Legitimität abverlangt. Eine solche war jedoch nicht umgehend verfügbar und wurde in befriedigender Form erst im Verlauf der folgen- den 150 Jahre theologisch-philosophischen Streits nachgetragen. Somit waren die byzantinischen Ikonoklasten jene Vorsichtigen und Mißtrau- ischen innerhalb der Elite, die es vorzogen, die Bildzeichen zu entfernen, statt zu riskieren, daß ihre weniger gebildeten und kultivierten Nach- barn zum Götzendienst verführt wurden. Wenn wir diese Umstände berücksichti- gen, so erweist sich nicht nur, daß es im Fall des Hussitismus keinen Grund zur Unterscheidung zwischen Ikonophobie und praktischem Bilder- sturm gibt, sondern es kommt auch eine ganz neue und überraschende Tatsache zutage: Das Hussitentum bildet tatsächlich den ersten Fall, bei dem die von den Gebildeten geforderte Ent- fernung und Zerstörung von Bildern zur Losung der Straße wurde und der Ikonoklasmus sich in Massenunruhen und Ausschreitungen realisier- te. Um dies richtig zu verstehen, müssen wir aus dem Gesamtbild des hussitischen Ikonoklasmus jedoch zuerst die Folgen des bewaffneten Kamp- fes und des “Bürgerkriegs” herausfiltern. Diese haben offensichtlich das Gros der Zerstörungen außerhalb Prags verursacht. Die militärischen Unternehmungen von Žižkas Heeren sowie wei- terer bewaffneter Einheiten hinterließen eroberte Städte und Burgen und niedergebrannte ländli- che Klöster, wobei selbstverständlich eine ganze Menge an – nach heutigen Begriffen – Kunst- und Baudenkmälern fatal litt. Dies zu bestreiten würde eine Idealisierung der Gewalt der Hussi- tenkriege bedeuten.28 Andererseits müssen wir uns aber auch bewußt sein, daß es einen großen Aufwand an Zeit, Energie und Technik erfordert, ein steinernes Gebäude wirklich abzureißen. Vie- les Zerstörte wurde in den folgenden Jahrzehnten wieder repariert. Die angewandten Techniken und der künstlerische Stil sind in diesen Fällen 26 Latour, What is Iconoclash (zit. Anm. 13). 27 C. Barber, Figure and Likeness. On the Limits of Representation in Byzantine Iconoclasm, Princeton, 2002. Zu dem Schluß, der byzantinische Ikonoklasmus sei keine Kampagne der physischen Bilderzerstörung gewesen, kam von anderen Ausgangpunkten her auch M. Büchsel, Die Entstehung des Christusporträts. Bildarchäologie statt Bildhypnose, Mainz 2007, S. 99. 28 Die Zerstörung von Kunstwerken durch die Hussiten zu bestreiten, versuchte in seinen letzten Arbeiten K. Stejskal, Ikonoklasmus českého středověku a jeho limity, in: Umění 48, 2000, S. 206–217; Ders., Ikonoklasmus a náš památkový fond, in: Husitský Tábor 13, 2002, S. 71–110.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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