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DIE VERSUCHUNGEN DER JUGEND 69
in Stockholm befindliche Bild vermutlich Kaiser
Rudolf II. hieß9) durch die Präzedenz des Stichs
auf die ikonographische Grundaussage des Bil-
des vorbereitet war, aber nicht mit einer Eins-zu-
Eins-Transposition der schon graphisch verbrei-
teten Fassung versorgt wurde. Das – neben dem
Formatwechsel – wohl am deutlichsten zwischen
Stich und Gemälde differierende Detail, der an-
spornende Blick aus dem Bild des den Korb mit
den Siegeszweigen auf seinem Kopf tragenden
Puttos, kann als klarer Hinweis auf diese Perso-
nalisierung der Komposition im Sinne einer ex-
klusiven Ansprache des privilegierten Betrachters,
nämlich des Auftraggebers, interpretiert werden.
Pieter Perret, der ab 1589 Hofkupferstecher
Philipps II. von Spanien war, hat diesen Druck keinem geringeren als Juan de Herrera (gest.
1597), dem Architekten des Escorial, dediziert.10
Die Kunstgeschichte hat bisher keine plausib-
le Erklärung für diese Widmung geliefert. Der
kleine Tugendtempel auf dem Berg oben links
scheint für die Dedikation an einen Architek-
ten relevant, aber nicht hinreichend. Catherine
Wilkinson-Zerner behauptete, Perret habe in
dem Druck den spanischen Architekten selbst in
seiner Jugend dargestellt, wie er einst den nega-
tiven Einflüssen von Venus, Bacchus und Armut
ausgesetzt gewesen sei und sich dann, unter dem
Schutz der Minerva, auf den Pfad der Tugend be-
geben habe.11 Solche im engsten Sinne persona-
lisierenden Interpretationen stehen jedoch einer
angemessenen Auffassung vieler Allegorien des
3: Luca Bertelli exc., STATO DE LVSSVRIOSI, Radierung,
Kunstsammlungen der Fürsten zu Waldburg-Wolfegg
9 Vgl. Anm. 5.
10 Zu Pieter Perret vgl. einführend M. P. McDonald, Pedro Perret and Pedro de Villafranca: Printmakers to the Spa-
nish Hapsburgs, in: Melbourne Art Journal 4, 2000, S. 37–51.
11 C. Wilkinson-Zerner, Juan de Herrara, Architect to Philip II of Spain, New Haven 1993, S. 1. Vgl. immerhin das
von Aegidius Sadeler gestochene „Allegorische Selbstbildnis des Bartholomäus Spranger mit dessen verstorbener
Frau Christina Müller“ (ca. 1600, Hollstein 322), wo der Künstler durch Personifikationen von Zeit und Tod ange-
griffen, aber von Verkörperungen der Künste verteidigt wird.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Band
- LIX
- Herausgeber
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Abmessungen
- 19.0 x 26.2 cm
- Seiten
- 280
- Schlagwörter
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur