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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
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eCKHARD lEUSCHNER78 nössische Erziehungsratgeber für den Fürsten- nachwuchs wie „De officio principis christiani“ von Roberto Bellarmino (1619) als maßgebliche „Quelle“ der Ikonographie zu benennen.36 Die- se These ist von Wolfger Bulst und Jörg Martin Merz zurückgewiesen worden.37 Merz begründet dies damit, daß die beiden zentralen Kategorien des Autoren, Gott und Kirche, in den Fresken nicht thematisiert seien und die genannten Tu- genden nicht spezifisch genug erschienen.38 Bulst betont, daß Cortona nicht praktische Hand- lungsanweisungen visualisiert, sondern einen poetischen Kontext – „Poesie morali“ – konsti- tuiert habe, und er weist auf schlüssigere Text- parallelen als Bellarmino wie etwa Maffeo Bar- berinis Ode „Exhortatio ad virtutem“ (1614), ein Tugendgedicht, das der zukünftige Papst Urban VIII. für seinen Neffen Francesco verfaßte. Bilder beziehen sich jedoch zuallererst auf andere Bilder. Sowohl das Deckenfresko der Sala di Venere als auch die Stuckporträts der Medici gehören in den Kontext visueller Selbstrechtfer- tigung des Adels durch Verweis auf die Dynastie als Träger von Tugend. Als Parallelen dafür sind zuerst die eigenen Ausstattungstraditionen der Medici zu nennen, etwa die Ahnenbüsten und hi- storischen Szenen mit Medici-Beteiligung in der Sala di Leone X im Palazzo Vecchio39 oder ande- re Ahnengalerien europäischer Fürstenhäuser40, ebenso aber die berühmte Übertragung des dyna- stischen Konzepts auf einen nicht-adeligen (aber erklärtermaßen geistesadeligen41) Zusammen- hang, denjenigen des Federico Zuccari. Dieser hat in der – Pietro da Cortona sicher bekannten – Sala terrena seines römischen Palazzo einen Raum gestaltet, der an der Decke die Himmelfahrt des tugendhaften Künstlers zeigt, und in den Lü- netten unterhalb dieses Bildes Porträts einzelner Mitglieder der Familie Zuccari, die als erprobte Träger der Familientugend auf die sich unten im Saal Bewegenden wie Zuschauer in einem Theater blicken.42 Auch wenn die bisherige kunsthistori- sche Literatur nicht eigens darauf hinweist, ver- wundert es vor diesem Hintergrund kaum, daß alle in den Stuckreliefs der Sala di Venere gezeig- ten Mitglieder der Medici-Familie nach unten, also in den Saal blicken. Die Voraussetzung von Virtus, der Abschied vom Laster, wird alles über- wölbend an der Decke angezeigt, die wortwört- lich von Medici-Herrschern getragen wird, die ihrerseits Exempelfiguren des Bemühens um die Tugend sind.43 Zugleich sind dieselben Herrscher Zuschauer des sich unter ihnen stets neu vollzie- henden mediceischen „Theaters“, der prunkvollen diplomatischen Aktivitäten ihrer Nachfolger, die sich viel auf ihre höchsten internationalen An- sprüchen genügende Prachtentfaltung, ihre „ma- gnificenza“, zugute hielten. In der Sala di Venere geht es um eine Fiktion von Kontinuität mit Mit- teln der Kunst. Die Tatsache, daß die gipsernen 36 Oy-Marra, Pietro da Cortona (zit. Anm. 34), S. 168–171. 37 Bulst, Sic itur ad astra (zit. Anm. 27), S. 263, Anm. 90; J. M. Merz, Pietro da Cortona und sein Kreis. Die Zeich- nungen in Düsseldorf, München/Berlin 2005, S. 451, Anm. 169. 38 J. M. Merz, Pietro da Cortona and Roman Baroque Architecture (incorporating a draft by the late Anthony Blunt), New Haven/London 2008, S. 300, Anm. 7. 39 Vgl. U. Muccini/A. Cecchi, Le Stanze del Principe in Palazzo Vecchio, Florenz 1995, S. 108–117. 40 Vgl. E. Leuschner, Roman Virtue, Dynastic Succession and the Re-Use of Images: Constructing Authority in Sixteenth- and Seventeenth-Century Portraiture, in: Studia Rudolphina 6, 2006, S. 5–25. 41 Zum Motto „Sic vera nobilitas“ an einer der Decken des Palazzo Zuccari vgl. K. Herrmann-Fiore, Die Fresken Federico Zuccaris in seinem römischen Künstlerhaus, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 18, 1979, S. 35–112. 42 Vgl. E. Leuschner, ‘Il camin sovrano ...’ Zu Federico Zuccaros Tugendbegriff in den Fresken der Galleria und der Architektur seines römischen Künstlerhauses, in: T. Weddigen (Hrsg.), Federico Zuccaro. Kunst zwischen Ideal und Reform (Akten einer Tagung der Bibliotheca Hertziana und des Schweizer Instituts in Rom 1998), Basel 2000, S. 169–194. 43 Vgl. S. Benedetti, Architettura come metafora. Pietro da Cortona «stuccatore», Bari 1980, S. 31.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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